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Nashira

Nashira

Titel: Nashira Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Troisi
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feucht-schwüle Luft, die sie quälte, so kroch ihnen mit der Dämmerung die Kälte in die Glieder und steigerte die Erschöpfung nach den Anstrengungen des Tages.
    Und dann der Regen. Plötzlich prasselte er hernieder, in heftigen Güssen, die sich gerade einmal mit einer jähen Verdunkelung des Himmels ankündigten. Die Umhänge der Flüchtenden saugten sich voll und wurden bleischwer. Nachts legten sie sie ab, obwohl ihnen kalte Windböen aus allen Richtungen um die Ohren pfiffen, und hängten sie zum Trocknen in die Äste, wenn die Regenschauer ihnen einmal eine Pause gewährten.
    Eines Nachts merkte Talitha plötzlich, dass Saiph neben ihr furchtbar zitterte. Sie waren für dieses Klima denkbar schlecht ausgerüstet.

    »Wir brauchen dickere Sachen.«
    »Und wie sollen wir die finden? In dieser Einöde gibt es doch kaum Siedlungen«, entgegnete Saiph.
    »Aber wir müssen etwas tun. Du wirst sonst noch krank, und außerdem brauchen wir frische Vorräte«, erwiderte das Mädchen. Sie nahm sich die Karte vor und fand tatsächlich in der Weite der Abendrotberge ein Dorf verzeichnet, das erreichbar für sie schien. Am nächsten Morgen machten sie sich auf den Weg dorthin.

    Das Dorf lag am Rande eines mächtigen Wasserfalls, der sich mit einem atemberaubenden Sprung in einen kleinen See stürzte. Aus dem Fels ragten die Reste eines halbzerstörten Kanalsystems hervor, ein Aquädukt, über das wohl früher einmal Wasser vom Wasserfall ins Dorf geleitet wurde.
    Die Häuser, nicht mehr als zwanzig, klammerten sich an den Steilhang und wirkten wie Vögel, die jeden Moment auffliegen und sich in den Abgrund unter ihnen fallen lassen konnten. Der Talareth, der sie beschirmte, sah selbst fast wie ein Felsvorsprung aus, so tief hatten seine Wurzeln das Gestein aufgebrochen und sich in den Berg gebohrt. Die Krone wuchs nicht in die Höhe, sondern zu einer Seite hinaus und schwebte neben dem Wasserfall über der Leere des Abgrunds. Die Häuser erhoben sich, pflanzlichen Wucherungen ähnlich, zwischen den Wurzeln und waren über verwinkelte Treppchen miteinander verbunden. Es war ein fantastischer, einzigartiger Anblick, doch den beiden war nicht danach, das Bild zu genießen.
    Der Baumpfad führte nicht direkt ins Dorf, sondern man
erreichte es über einen langen Steg, der sich im Schatten des Talareths bis zu den Häusern erstreckte.
    Dieser Steg war schmal und wirkte nicht gerade vertrauenerweckend. Zögernd standen sie davor, auch weil es der einzige Zugang zu dem Bergnest war. Wenn ihnen hier jemand eine Falle gestellt hatte, gab es kein Entkommen.
    »Das gefällt mir nicht«, murmelte Saiph.
    »Aber wir müssen hinüber, wir brauchen Nahrung und Decken«, erwiderte das Mädchen.
    Kurz entschlossen setzte sie den Fuß auf den Steg und lief flink darüber hinweg zur anderen Seite. Nach der Erfahrung auf dem Seil hatte sie verstanden, wie man solchen Herausforderungen am besten begegnete: Man brachte sie so schnell wie möglich hinter sich. Je mehr Zeit man sich gab, über die Gefahr nachzudenken, desto größer wurde auch die Furcht sowie die Versuchung, doch einmal in die Tiefe zu schauen.
    Als sie sicher auf der anderen Seite war, gab sie Saiph ein Zeichen, ihr zu folgen.
    Das Dorf schien nur von Geistern bewohnt zu sein, und Talitha lief ein Schauer über den Rücken. Doch es half nichts, sie mussten sich hineinwagen. Sie legte eine Hand auf das Heft des Schwerts, während Saiph seinen Dolch fest in die Hand nahm.
    Sie erreichten eine Tür. Talitha legte ein Ohr an das Holz und lauschte. Kein Laut. Sie umrundete das Gebäude und sah ein Fenster mit nur angelehntem Laden, trat näher und warf einen raschen Blick hinein. Es war stockdunkel. Vorsichtig zog sie den Fensterladen zurück und schlüpfte hinein. Saiph folgte ihr. Das wenige Licht, das von außen eindrang, zeigte ihnen einen karg eingerichteten Raum. Darin gab es eine verrußte Feuerstelle, über der ein verbeulter Topf hing,
einen Tisch ohne Stühle und einen morschen Küchenschrank mit verstaubten Scheiben.
    Eine Tür führte in einen angrenzenden Raum, in dem sie im Schummerlicht zwei Betten und die Umrisse einer Truhe erkannten. Alles in diesem Haus wirkte verlassen.
    Das Mädchen ging zu der Truhe und klappte sie auf. Sie fand ein paar alte Betttücher, mottenzerfressene Männerkleidung und ganz unten eine rote Wolldecke. Die war zwar auch voller Löcher, doch wärmen würde sie noch. Sie rollte sie so fest es ging zusammen und zwängte sie dann unter den

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