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Nashira

Nashira

Titel: Nashira Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Troisi
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wahrnehmen.«
    »Gut, mag sein, dann brauchen wir einen neuen Luftkristall. Aber versprich mir wenigstens, dass du mit der Suche nach dem Ketzer noch wartest. Für dich allein wäre das viel zu riskant ...«
    »Ja, klar, das will ich auch gar nicht. Ich will mich nur ein wenig umhören, rausbekommen, wo sein Kerker ist, wie der angelegt ist, wie man hineingelangen könnte ...«
    »Du hast Recht, das müssen wir alles wissen, aber ...«
    »Nichts aber. Ich werde in Alepha die Lage erkunden, und uns dabei Proviant und einen neuen Luftkristall besorgen.«
    Saiph schüttelte heftig den Kopf. »Jetzt verstehe ich, was du vorhast. Aber das geht nicht, das ist zu gefährlich«, brauste er auf. »Du kennst dich in Städten überhaupt nicht aus, wir gehen zusammen, spätestens morgen, wenn ich wieder bei Kräften bin!« Saiph wurde eigentlich nie laut, und Talitha war überrascht, dass er sie anschrie. »Ich kann nicht allein hierbleiben. Wie soll ich dich da beschützen?« Kaum waren die Worte heraus, biss er sich auf die Lippen und schlug errötend die Augen nieder.
    Sie aber stand einfach auf. »Du bist frühestens in zwei Tagen wieder soweit, dass du weiterziehen kannst, und um dich zu pflegen, brauche ich Nahrung und Heilkräuter. Deswegen gehe ich nach Alepha, ob es dir nun passt oder nicht.«

    Den ganzen Morgen folgte Talitha dem Baumpfad. Früher musste dieser ein wichtiger Verbindungsweg zu der reichen Stadt Alepha gewesen sein, doch jetzt war er in ziemlich schlechtem Zustand. Einige Luftkristalle waren vollkommen erloschen und niemand hatte daran gedacht, sie aufzuladen. Dennoch kam das Mädchen gut voran. Nachdem sie Verbas Schwert seit ihrer Flucht aus dem Kloster auf dem Rücken getragen hatte, sodass sie schon gar nicht mehr merkte, wie schwer es war, so fühlte sie sich nun, nur mit dem Dolch in ihrem Stiefel bewaffnet, zwar weniger sicher, dafür aber entschieden leichtfüßiger.
    Zum ersten Mal war sie allein unterwegs, und das erfüllte sie mit einem seltsamen Hochgefühl. Im Reich des Herbstes war sie nie zuvor gewesen: Wenn ihr Vater eine solch weite Reise unternommen hatte, war er immer ohne die Familie aufgebrochen.

    Es war höchstens die neunte Stunde, als der Baumpfad endlich in einen besser erhaltenen Weg einmündete. Keine wuchernden Äste versperrten den Durchgang, und die Luftkristalle strahlten hell. Immer mehr Passanten kreuzten Talithas Weg, und der Verkehr in die Stadt nahm stetig zu.
    Schließlich verbreiterte sich der Baumpfad, und plötzlich konnte sie Alepha in ihrer ganzen Pracht vor sich liegen sehen. Ringförmig umgeben von den verschneiten Gipfeln der Bergketten, die grau-rosa schimmerten, lag die Stadt in einer Senke unter ihr und wirkte fast wie vom Fels belagert. Sie erstreckte sich nicht im Schatten eines einzigen Talareths, sondern unter einem guten Dutzend kleinerer Bäume, die an den Hängen wuchsen und sich ins Leere vorneigten. Ihre Wurzeln krallten sich an den Fels, und ihre Stämme waren gewunden, so als kostete es sie eine übergroße Anstrengung, nicht den Halt zu verlieren. Die Kronen aus großen gelappten Blättern bildeten eine vielfarbige Kuppel aus leuchtendem Gelb, verblichenem Braun, Orange und einem satten Rot. Sie wirkte wie eine Palette, auf die ein Künstler nach Herzenslust Farbkleckse gespritzt hatte, die teilweise ineinander gelaufen waren, sich teilweise aber auch ihren ursprünglichen Farbton hatten bewahren können. Die Kronen waren allerdings nicht breit genug, um das gesamte Tal zu überdachen, sodass in der Mitte ein Bereich frei blieb, in dem ein See mit glasklarem Wasser glitzerte. Mit offenem Mund stand Talitha staunend da und konnte nicht glauben, dass es einen solchen Reichtum verschiedener Blautöne überhaupt geben konnte. Manche Abschnitte wirkten fast schon strahlend grün, andere hingegen tiefblau, in der Mitte aber war das Blau am reinsten, allerdings auch von schwarzen Reflexen durchzogen. Am meisten überraschte sie, dass man auch
dort, wo das Wasser am tiefsten war, bis auf den Grund schauen konnte. Durch die Kräuselungen der Oberfläche sah sie die vielgestaltigen Felsformationen unter dem Wasserspiegel wie verängstigte Tiere zittern. Der See war noch schöner als der von Larea; er war schöner als alles, was Talitha bisher gesehen hatte.
    Als sie beim Hinunterschauen unabsichtlich einen Passanten anstieß, war es, als kehre sie aus einem Traum in die Wirklichkeit zurück.
    »Verzeihung«, sagte sie.
    Sofort war die Furcht wieder

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