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Nashira

Nashira

Titel: Nashira Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Troisi
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fantasievollen Aufbau.
    Jede weiter man jedoch zu den inneren Ringen vordrang,
desto deutlicher wurde eine weitere Besonderheit: Die Fassaden einiger Häuser waren verputzt, und auf den Kalk hatten Künstlerhände wunderschönen Fresken gemalt. Dargestellt waren Szenen aus den Göttermythen, wobei Van, die Schutzgöttin des Reichs, mit Abstand am häufigsten vertreten war. Doch auch kriegerische Unternehmungen waren bildlich festgehalten oder einfach Ereignisse aus den Geschichten der Familien, die in diesen Residenzen wohnten. Hingerissen betrachte Talitha die Gemälde, denn zu Hause in Messe hatte sie dergleichen noch nie gesehen. Erst als ihr ein langer Kälteschauer über den Rücken lief und sie sich fester in ihrem Umhang hüllte, erwachte sie aus ihrer Versunkenheit
    Sie schaute sich um: Die Leute um sie herum waren auch nicht dicker als sie selbst gekleidet. Denn obwohl es etwas neblig war, wichen die Temperaturen nicht sehr von denen im Reich des Frühlings ab.
    Lange ließ sie den Blick über die Leute schweifen, bevor sie jemanden ausmachte, der ihr geeignet schien und bei dem sie den Mut fand, ihn anzusprechen: Es war ein Talaritenjunge mit dunkler Haut und dunkelgrünen Augen, der vielleicht zehn Jahre alt war und geschwind an ihr vorbeistürmte.
    »He, warte mal, kannst du mir sagen, wo ich einen Markt finde?«, fragte sie, darauf bedacht, die anderen Passanten nicht auf sich aufmerksam zu machen. »Ich brauche Heilkräuter, Kleider und was zu essen.«
    »Ja, im fünften Ring. Da findest du alles, was du brauchst. Einfach nur die Gasse dort immer weiter hindurch, dann kommst du genau hin«, sagte der Junge, ohne nachzudenken.
    Talitha bedankte sich mit einem Lächeln, zog sich die
Kapuze wieder tiefer ins Gesicht und bog in die Gasse ein, auf die der Junge gezeigt hatte.
    Kurz darauf wurde das Stimmengewirr um sie herum immer lauter, während ihr berauschende Düfte in die Nase stiegen. Es roch nach Gewürzen, nach Fleisch, nach Fisch und Obst. Sie bog um eine Ecke und sah, dass sie richtig war.
    Längs der weiten Biegung einer breiten Straßen mit hohen Häuserreihen zu beiden Seiten, zwischen denen an langen Leinen frisch gewaschene Wäsche hing, waren Marktstände aufgebaut. Von bunten Stoffplanen geschützt, drängten sie sich vor den Häusern und ließen nur in der Mitte einen vielleicht zwei oder drei Ellen schmalen Durchgang frei. Dazwischen schob sich eine geschäftig wirkende Menge entlang, die zumeist aus Femtiten, aber auch durchreisenden Talariten bestand. Talitha bemerkte viele Priester mit langen braunen Gewändern, die mit Hanfseilen gegürtet waren, und geschorenen Schädeln, auf denen nur in der Mitte ein schmaler, gelb gefärbter Haarkamm stand. Auch wenn sie solche Priester noch nie zuvor gesehen hatte, wusste sie sofort, welchem Orden sie angehörten: Es waren sogenannte Demütige, häufig in Begleitung von Novizen, die manchmal noch Kinder waren und im Gegensatz zu den Priestern helle Gewänder aus grobem Stoff trugen. Für Talitha war es ein seltsamer Anblick. Sie hatte ihre schlechten Erfahrungen ausschließlich in einer weiblichen Klosterwelt gemacht, sodass ihr diese Männer und Jungen weder Angst noch Ekel einflößten, wie es bei Priesterinnen unvermeidlich der Fall gewesen wäre. Gleichzeitig gehörten diese Ordensmänner für sie nicht dazu, weil sie zu sanft und zu bescheiden wirkten, als dass sie etwas mit den Schattenseiten des Glaubens hätten zu tun haben können.

    Talitha hüllte sich noch fester in ihren Mantel und ging rasch an ihnen vorbei.
    In einer gar nicht so fernen Vergangenheit war dies wahrscheinlich einmal ein herrlicher Ort gewesen, denn in der Straße gab es die unterschiedlichsten Läden, von denen viele ihre Waren in bunt bedeckten Ständen präsentierten. Jetzt allerdings waren viele Ladentüren verrammelt, und die Marktstraße erinnerte viel mehr an einen zahnlosen Mund: Die Stände standen zwischen bröckligen Hausmauern und Türen aus morschem Holz. Auch die Stände selbst boten ein eher trauriges Bild, denn trotz der Weite des Platzes war das Warenangebot sehr beschränkt. Zwar gab es reichlich in Gläsern eingemachte Lebensmittel sowie Kräuter und Gewürze, aber die Auswahl bei Obst und Gemüse war kärglich. Hier und dort wurden auch Fisch und Fleisch verkauft, die mit Eis aus dem Reich des Winters gekühlt wurden. Die Kisten, in denen diese Ware lag, waren alle mit einem Lattengeflecht, durch das kaum eine Hand passte, vernagelt. Offensichtlich

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