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Nashira

Nashira

Titel: Nashira Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Troisi
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Flügelschläge, und sie waren hindurch, am offenen Himmel, heraus aus dem Schutz der Bäume.
    Feine, dünne Luft schlug ihnen ins Gesicht, und instinktiv hielt Talitha den Atem an und schloss die Augen.
    »Es funktioniert, Herrin, versuch zu atmen!«, rief Saiph. Das tat sie und nahm einen ersten vorsichtigen Atemzug. Die Luft schmeckte angenehm kühl, ganz ähnlich wie im Kloster. Sie atmete. Sie konnte atmen.
    Als sie auf den Anhänger blickte, sah sie, dass der Luftkristall neben dem Talarethzweig kräftig strahlte.
    Ganz tief atmete sie ein und freute sich dabei so sehr, dass sie lachen musste. »Es funktioniert«, rief sie und drückte sich fester an Saiph.
    Sie bemerkte, dass sich die Schlitze am Hals des Drachen gleichmäßig öffneten und schlossen. Sie arbeiteten wie die Kiemen eines Fisches. Aber sie dienten nicht dazu, unter
Wasser zu atmen, sondern dort noch Luft zu bekommen, wo andere Wesen längst erstickt wären.
    »Du hattest Recht«, schrie Talitha, um das Rauschen und Flügelschlagen zu übertönen, doch Saiph antwortete nicht. Er hatte den Kopf gewandt und schaute zurück. Sie folgte seinem Blick, und eine Mischung aus starker Erregung und Furcht überkam sie. Hinter ihnen, über dem Talareth der Zuchtstation, der immer kleiner wurde, breitete sich eine endlose dunkle Fläche aus. Bereits in der Nacht, als sie aus dem Kloster geflohen waren, hatten sie sie gesehen, aber jetzt erschien sie ihnen noch weiter, noch grenzenloser.
    Der Himmel.
    Unzählige Sterne funkelten, und zwei schmale Sicheln, die eine milch-, die andere rosafarben, erhellten ihn. Die Monde. Talitha wusste, wie sie beschaffen waren, sie hatte Bilder von ihnen auf alten Pergamenten und Fresken gesehen aus einer Zeit, bevor die Priesterinnen diesen Kult als Blasphemie verurteilt und verboten hatten. Doch die Monde wirklich vor sich zu haben, war noch einmal etwas ganz anderes. Es war ein Schauspiel, dass ihr den Atem nahm und das Herz beben ließ.
    Deswegen ist es verboten, deswegen darf niemand sie sehen, weil der Anblick zu schön ist und gleichzeitig zu schrecklich .
    Wie es wohl wäre, Miraval und Cetus von Nahem zu sehen, so wie die Priesterinnen mit ihren Instrumenten, fragte sie sich. Und sie malte sich aus, wie es sein würde, wenn Cetus tatsächlich Nashira verbrannte, wie es in den geheimen Dokumenten prophezeit wurde, die sie im Kernbezirk des Klosters gefunden hatten. Feuer und Flammen würden sich vom Himmel ausbreiten und alles verschlingen: Menschen, Tiere, Bäume. Auch die Drachen würden sterben, würden
verzehrt werden trotz ihrer dicken Haut und all ihrer Kraft.
    Talitha drehte den Kopf wieder nach vorn und forderte Saiph auf, es ihr nachzutun.
    »Dieses Schauspiel ist nichts für uns«, sagte sie mit zitternder Stimme.
    »Vielleicht werden wir uns langsam daran gewöhnen«, antwortete er, aber auch seine Stimme klang brüchig.
    Sie blickte nach unten. Von dort oben sah Talaria ganz anders aus. Silberne Bäche und Flüsse durchzogen die schwarze Steppe. Über dem Netz, das sie bildeten, lag das Geflecht der Baumpfade, die wie Fäden einen Spinnennetzes von Talareth zu Talareth gespannt waren. Sie wunderte sich, dass sich trotz all des freien Raums ihr Leben nur innerhalb der engen Bereiche abspielte, die unter den Kronen der Bäume lagen. Unzählige Wege gab es auf der Welt, Abertausende von Straßen, die zu erkunden wären; doch aufgrund der Besonderheiten ihres Lebensraums konnten sie nur einige wenige, klar vorgegebene davon beschreiten. Die Abhängigkeit ihrer Rasse vom Luftkristall sowie die Gesetze, die es allen außerhalb der Priesterkaste untersagten, dieses wertvolle Mineral zu besitzen, schränkten ihre Möglichkeiten, Unbekanntes zu erforschen und neue Wege zu gehen, auf ein Mindestmaß ein.
    Wir verstoßen gegen dieses Verbot  ... Wir erkunden neue Pfade , dachte sie mit einer Mischung aus Stolz und Furcht.
    Der Relio-See tauchte in der Ferne auf, in einer weiten Fläche, die im Schein der beiden Monde glitzerte.
    »Wie weit ist es noch bis Danyria?«, fragte Talitha.
    »Nach der Karte einige Tageswanderungen, aber auf dem Drachen wird es viel schneller gehen«, erklärte Saiph lächelnd.

    So überflogen sie im Nu den Relio-See. Unermüdlich gingen die Flügel des Drachen auf und ab, während die beiden den Flug genossen. Natürlich war es auch anstrengend, sich die ganze Zeit über an dem Tier festzuklammern, aber nicht so sehr wie das pausenlose Marschieren zuvor mit der ständigen Bedrohung im

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