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Nashira

Nashira

Titel: Nashira Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Troisi
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einigen Fensterschlitzen unterbrochen wurde, durch die Kerzenlicht schimmerte.
    »Die Festung scheint fast leer zu sein«, bemerkte Saiph.
    »Und der Eingang sieht unbewacht aus«, wunderte sich Talitha, während sie über die Brücke zum Festungstor blickte.
    »Wer weiß, ein paar Gardisten hinter dem Tor, und wir sind erledigt«, gab Saiph zu bedenken.
    Ein winziger Fehler, und alle Mühen, um zu dieser Festung zu gelangen, wären umsonst gewesen.
    Mittlerweile fiel der Schnee in immer dichteren Flocken. Für Bewohner aus einem Land, in dem es immer warm war, war es ein derart ungewöhnliches Schauspiel, dass beide die Nasen in die Höhe reckten und dem Tanz der Schneeflocken am Himmel zusahen. Die Landschaft schien wie von einem
Zauber erfasst, die Zeit stehen zu bleiben, und alles sah wie verwandelt aus. Sachte legte sich der Schnee auf die höchsten Äste des Talareths, ließ sie immer weißer werden, fror sie ein und schien alles in einen ruhigen Schlaf versinken zu lassen. Das unschuldige Weiß des Schnees war wie ein Versprechen von Harmonie und Frieden, und Talitha fühlte sich gestärkt davon. Vielleicht würden sie ihr Ziel doch erreichen.
    »Komm, versuchen wir es«, sagte sie und zog ihr Schwert. Schon lief sie über die schmale Brücke, während die Bretter unter ihren Schritten ächzten und wankten. Vor dem Tor blieb sie stehen. Von der anderen Seite der Mauer drang kein Laut zu ihr, nichts rührte sich. Dann aber entdeckte sie neben ihren Füßen dunkle Spuren, die im fallenden Schnee immer undeutlicher wurden. Sie zeigte sie Saiph, als er zu ihr trat.
    »Blut«, sagte er, nachdem er sich hinabgebeugt und einen Finger hineingetaucht hatte. »Irgendetwas ist passiert.«
    Sie betrachteten den Eingang. Es handelte sich um ein schweres, hohes Tor mit bronzenen Beschlägen, das nach außen hin einen Spalt offenstand. An mehreren Stellen war das Holz zersplittert, und die Eisenstange, die als Riegel dienen sollte, war aus den Angeln gerissen worden. Etwas war mit solcher Gewalt dagegen geprallt, dass sogar einige der Bronzenägel herausgeschoben waren.
    »Das gefällt mir nicht«, murmelte Talitha.
    »Mir auch nicht.« Saiph zog den Dolch, und sie traten ein.
    Im Innern war es wärmer, aber es war keine angenehme Wärme. Den Geruch, der in der Luft lag, kannte sie mittlerweile nur allzu gut: Es roch nach Blut und, etwas süßlicher, nach Verwesung. Im Stockfinstern stand Talitha da, und eine tiefe Furcht packte sie an der Kehle.
    »Saiph, wo bist du?«

    Die wenigen Augenblicke, die er für eine Antwort brauchte, kamen ihr wie eine Ewigkeit vor.
    »Ich bin hier ... Kannst du nicht ein wenig Licht machen?«
    Talitha tastete in ihrer Wandertasche herum und holte die kleine Kugel hervor. Sie rief ihr Es wach und gab es ihr ein, und kurz darauf erstrahlte das Glas in einem zarten, bläulichen Licht, das den Raum um sie herum erhellte. Sie standen in einem engen Durchgang. Am anderen Ende lagen zwei Leichen vor einer Wand. Sie trugen Kettenhemden und darüber schwarze Waffenröcke, auf die je eine Eisblume gestickt war, das Wappen der Garde aus dem Reich des Winters.
    Saiph trat auf die Leichen zu. »Ich brauche mehr Licht«, sagte er.
    Talitha hob die Leuchtkugel an. Die Haut der Gardisten sah aus wie zerflossenes und dann wieder hart gewordenes Wachs. Die Augen des einen waren geöffnet, und seine Pupillen glänzten im schwachen Lichtschein der Kugel.
    »Ich denke, die sind nicht länger als ein paar Tage tot.«
    »Woran siehst du das?«
    »Ich bin ein Sklave, Herrin, und Sklaven sterben oft eines gewaltsamen Todes. Ich hatte es schon mit verschiedensten Leichen zu tun. Aber selten waren sie so übel zugerichtet.«
    Talitha dachte an den Sklaven, der auf Befehl ihres Vaters, am Abend vor dem gemeinsamen Aufbruch nach Larea, mit dem Strafstock getötet worden war. Wie oft mochte so etwas im Palast geschehen sein, wie oft musste Saiph solchen Gräueln beigewohnt oder sich sogar um die Leiche gekümmert haben?
    Langsam wagten sie sich weiter in den Flur hinein. Der Wind draußen war stärker geworden, und sein langgezogenes
unheimliches Heulen ließ das gesamte Gebäude stöhnen. Talitha liefen Schauer über den Rücken, sie aber wollte glauben, dass nur die Kälte daran Schuld sein sein konnte.
    Sie gelangten in einen quadratischen Raum, dessen Wände kaum mehr als zehn Ellen lang waren. Umso höher aber war die Decke, unter der der Wind mit zischenden Geräuschen hinwegstrich. Dies war der Haupttrakt des

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