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Nashira

Nashira

Titel: Nashira Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Troisi
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einen, vielleicht zwei Tage Atemluft produziert.«
    »Wunderbar. Das müsste für die Überquerung reichen.«
    »Glaubst du wirklich? Die Luft von nur einem Zweig soll genug sein?«, zweifelte Talitha.
    »Uns bleibt nichts anderes übrig, als es auszuprobieren.«

33
    W ie ein chaotischer Fluss aus Personen, Tieren und Waren strömte die Hauptader vor ihren Augen dahin: Gardisten auf ihren Drachen, reisende Edelleute mit ihrem Gefolge, Sklavenhändler, die Kolonnen armer Teufel antrieben, ausgehungerte Bettler, die in Scharen am Wegesrand hockten. Es war alles so, wie es Talitha in Erinnerung hatte, nur die Gefahren schienen zugenommen zu haben.
    Nach den langen Wanderungen durch abgelegene Gebiete war sie solch lebhaftes Treiben nicht mehr gewöhnt, und es kam ihr ganz unnatürlich vor, sich unter all diese Leute zu mischen. Saiph und sie waren mittlerweile so weit von der normalen Welt entfernt, dass sie in jedem, der vorüberkam, sofort einen möglichen Verräter sahen. Auf der Hauptader waren sie völlig ungeschützt, jeder Deckung beraubt. Doch um nach Cresa zu gelangen, mussten sie sich auf dieses Risiko einlassen.
    Saiph legte Talitha eine Hand auf die Schulter und drückte sie fest. »Wir gehen ganz ruhig und schauen nur vor uns auf den Weg. Dann werden wir schon niemandem auffallen.«
    Er war es, der den ersten Schritt auf die Hauptader wagte, und das Mädchen bekam gerade noch einen Zipfel seines Umhangs zu fassen, bevor er von der Menge verschluckt wurde.
    Augenblicklich wurden sie zu einem Bestandteil dieses mächtigen Verkehrsstroms und seiner Geräuschkulisse.
Schritte, Gelächter, Rufen, Weinen, das Rasseln der schweren Fußeisen angeketteter Sklaven, das Brüllen eines Drachens, das Rattern von Wagenrädern auf dem Holzboden: All das verschmolz zu einem einzigen Hintergrundrauschen. Ein Rauschen, das nach Alltag klang, nach Leben.
    Ein Leben, das mittlerweile sehr, sehr weit entfernt schien, unerreichbar, dachte Talitha. Und das, was vor ihnen lag, würde den Graben endgültig unüberwindbar machen. Ihre Hände waren schweißnass, und das Schwert auf ihrem Rücken kam ihr noch schwerer vor als sonst.
    Sie erreichten Cresa früher als erwartet und bogen dort, wie selbstverständlich, in einen Seitenweg ein, der zur Drachenaufzucht führte.
    Es war schon lange Abend, als sie ihr Ziel erreichten. Unter einem Talareth von mittlerer Größe mit grell gelben Blättern erstreckte sich ein Gehege mit einem etwa zwanzig Ellen hohen Zaun und einem gigantischen stählernen Tor. Saiph und Talitha versteckten sich hinter einem kleinen Busch und erkundeten zunächst einmal die Lage. Aus dem Gehege drang vereinzelt lautes Brüllen zu ihnen. Sonst schien alles ruhig zu sein.
    Das Mädchen trat hinter dem Busch hervor, nahm ihr Seil aus der Wandertasche und knüpfte eine Schlinge, die sie dreimal kreisen ließ, um sie dann, während sie einen Zauberspruch sprach, in die Luft zu werfen. Die Schlinge schwebte zu einem der Zaunpfosten und legte sich darüber. Mit einem kurzen Ruck am Seil prüfte Talitha, ob es hielt, und kletterte dann den Zaun hinauf. Saiph folgte ihr, und als sie beide oben waren, verschnauften sie und blickten in die Anlage, die sich unter ihnen öffnete. Sie bestand aus einem niedrigen Gebäude in der Mitte und zwei immensen Arenen,
in denen aller Wahrscheinlichkeit nach die Drachen dressiert wurden. Daneben gab es mindestens zehn Ställe mit Holzdächern, die alle um einiges größer waren als jener, in den Melkise sie gesperrt hatte. Von drinnen hörten sie das Mahlen von Zähnen, das Scharren von Krallen im Erdboden, Brüllen und Schnauben. Talitha lief ein Schauer über den Rücken bei der Vorstellung, wie gewaltig die Tatzen der Drachen sein mussten, wenn diese Geräusche so laut nach außen drangen, wie breit ihre Nüstern, dass sie so ungeduldig und furchterregend fauchen konnten.
    »Welchen nehmen wir?«, fragte sie Saiph mit banger Stimme.
    »Die Wahl überlass ich dir.«
    Talitha deutete auf den Stall, der ihnen am nächsten lag. Mit beiden Armen umschlang sie Saiphs Hüften, sprach den Zauberspruch, und schon schwebten sie hinab und landeten fast sanft am Boden. Dieser Schwebezauber gelang ihr mittlerweile immer besser.
    Rasch schlichen sie zum Stall, dessen Tür mit einem schweren hölzernen Riegel gesichert war. Talitha versuchte ihn anzuheben, doch er bewegte sich nicht mal einen halben Zoll. Saiph kam ihr zu Hilfe, und gemeinsam drückten sie ihn so weit hoch, dass das Tor aufging und

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