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Nashira

Nashira

Titel: Nashira Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Troisi
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grünes Band am Arm trug, ein Zeichen, dass es sich um eine Erzieherin handelte. Die verschiedenfarbigen Bänder und deren Bedeutungen gehörten zum Regelwerk des Klosterlebens, in dem die Kleine Mutter sie bei ihrem Besuch im gräflichen Palast unterwiesen hatte: Grün für die Erzieherinnen, Weiß für die Orantinnen, Braun für die Wanderpriesterinnen, Schwarz für die Richterinnen und schließlich Rot für die Heilerinnen.
    Am Rande der Versammelten erkannte Talitha auch einige Kombattantinnen, die reglos dem Geschehen folgten. Sie zählte lediglich fünf, aber sie machte sich nichts vor: Mit Sicherheit waren es mehr. Auf den ersten Blick schätzte sie, dass zum gesamten Kloster rund hundert Priesterinnen und Novizinnen gehörten, was bedeutete, dass dort auch ebenso viele Sklavinnen oder Sklaven leben mussten. Fünf Kombattantinnen waren keinesfalls ausreichend, um Ordnung und Sicherheit aufrechtzuerhalten.
    Die Kleine Mutter zog sich zurück, und die Novizinnen folgten einer Erzieherin in eines der rechteckigen Gebäude neben dem Tempel. Eine andere Erzieherin trat auf Talitha zu. Nach der Haut an Händen und Hals zu urteilen, musste sie um die dreißig Jahre alt sein, doch ihre Stirn war bereits von tiefen Falten durchzogen. Ihre Haare waren gelbblond und strohig, die Augen von einem matten Braun. Die dünnen, zusammengekniffenen Lippen ließen sie ernst und streng aussehen.
    »Komm mit«, sagte sie zu ihr.

    »Und was ist mit meinem Diener?«, fragte das Mädchen zurück, ohne sich von der Stelle zu rühren. Sie hatte einige Sklaven neugierig zu ihnen hinüberschauen sehen, genauer, von der Tür eines schmucklosen Baus aus, einer Art Baracke, die abseits der übrigen Klostergebäude auf einem Seitenast errichtet war.
    Die Priesterin warf einen flüchtigen Blick auf Saiph.
    »Arath«, rief sie.
    Mit ehrfürchtig gesenktem Haupt trat eine ältere Femtitin vor.
    »Bring diesen Sklaven zu den Ställen und zeig ihm alles, was er wissen muss.«
    Die Alte neigte zustimmend den Kopf.
    »Er ist mein Leibdiener. Ich möchte, dass er bei mir bleibt«, erklärte Talitha knapp.
    Die Erzieherin blickte sie an, trat einen Schritt auf sie zu und baute sich vor ihr auf. Das Mädchen fühlte sich erdrückt von ihrer autoritären Pose, gab sich aber Mühe, nicht eingeschüchtert zu wirken.
    »Du bist hier nicht mehr im Palast. Hier läuft alles anders, als du es gewohnt bist, junge Dame, und je schneller du das begreifst, desto besser für dich. Und nun folge mir.«
    Die Erzieherin wandte sich ab und hielt mit großen Schritten auf die Klostergebäude zu. Talitha blieb nichts anderes übrig, als ihr zu gehorchen.
    Die Erzieherin, die, wie Talitha nun erfuhr, Dorothea hieß, nahm sie mit zu einer kleinen Führung durch die Anlage. Sie war nicht die einzige Novizin aus einer adligen Familie, und angesichts der Tatsache, dass sie früher oder später in die höchsten Positionen des Klosters aufrücken würden, ließ man Neulingen wie ihr eine besondere Aufmerksamkeit zukommen.
Schwester Dorothea zeigte ihr das Refektorium und den Eingang zum Tempel und führte sie schließlich zum Schlafhaus, das Gebäude mit den kleinen bunten Fenstern, das ihr bei der Ankunft gleich aufgefallen war. Da sie es nun aus einer anderen Perspektive sah, stellte sie fest, dass es sich bei dem Dach um eine einzige, riesengroße Glasfläche handelte, auf der das Bild der schlanken Göttin Alya prangte. Auf dem Rundgang eröffnete ihr Schwester Dorothea, welches Programm sie im Kloster erwartete: aufstehen im Morgengrauen, und dann den ganzen Tag nichts als Beten und Lernen, mit nur kurzen Unterbrechungen für die Mahlzeiten. Talitha dachte, dass ein solcher Tagesablauf auch den robustesten Sklaven ins Grab gebracht hätte.
    Sie durchliefen einen Korridor, der zum Stamm hin geöffnet war, sodass die Wand zu ihrer Rechten aus nichts anderem als der Rinde des Talareth bestand; auf der gegenüberliegenden Seite ging eine Reihe weißer Türen ab. Vor einer blieb Schwester Dorothea stehen und öffnete sie. »Eigentlich schlafen die Novizinnen alle zusammen in einem Saal«, sagte sie. »Du aber erhältst dein eigenes Zimmer, ein Vorrecht, das du mit einigen wenigen Gefährtinnen aus hohem Hause und den Priesterinnen teilst.«
    Talithas neues Zuhause war eine rechteckige Zelle, die vier Ellen lang und drei breit war. Auf einer primitiven Metallpritsche lag eine mit trockenen Blättern gefüllte Matratze. Vor einem kleinen Altar war eine Kniebank aufgestellt, und

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