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Nashira

Nashira

Titel: Nashira Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Troisi
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neben dem Bett stand schon der Schrankkoffer, der alles enthielt, was Talitha von Messe hatte mit hinaufnehmen dürfen. Vervollständigt wurde das karge Mobiliar von einem einfachen Tisch aus grob bearbeitetem Holz, einem Regalbrett darüber und einem Hocker davor.

    »Und das soll das Zimmer einer hochgestellten Novizin sein?«, fragte Talitha, die das Gefühl hatte, ersticken zu müssen.
    »Wie gesagt, das Leben, wie du es bisher geführt hast, ist vorbei«, antwortete Schwester Dorothea kühl. »Hier ist kein Platz für Luxus, hier führen wir ein stilles, arbeitsames Dasein, in dem wir alles Überflüssige meiden und uns auf das Wesentliche konzentrieren, auf die Freude am Gebet und an der Kontemplation. Das wusstest du doch, als du den Entschluss fasstest, das Gelübde abzulegen.«
    Natürlich, als wäre das ihr freier Entschluss gewesen ... Das Mädchen fragte sich, ob sich wohl auch die Kleine Mutter mit einem ungehobelten Tischchen und einer Pritsche begnügte.
    »Zudem möchte ich, dass du in Zukunft nur noch das Wort ergreifst, wenn ich dich direkt anspreche. Und dann antwortest du mir in respektvollem Ton«, fügte die Erzieherin hinzu, die Stirn in Falten gelegt.
    Talitha musterte sie schweigend, ohne den Blick zu senken. Am liebsten hätte sie der Frau ein paar Tritte versetzt, aber das ging ja nicht. Wenn sie daran interessiert war, dass ihre Zeit im Kloster – ihre kurze Zeit wohlgemerkt – einigermaßen ruhig verlief, musste sie es vermeiden, sich mit Ranghöheren anzulegen. »Dürfte ich Euch ganz respektvoll eine Frage stellen?«, sagte sie schließlich nur und bemühte sich dabei, ihren Unmut nicht durchscheinen zu lassen.
    Schwester Dorothea nickte.
    »Wo ist mein Leibdiener untergebracht?«
    »In den Sklavenbaracken. Wo sonst?«
    Talitha ballte die Fäuste. Nach dem, was sie seit ihrer Ankunft beobachtet hatte, wurden die Sklaven wie Vieh behandelt,
und die Baracke, in der sie zusammengepfercht hausten, war der beste Beweis dafür. Sie stellte sich vor, wie Saiph ein verdrecktes stinkendes Lager mit wer weiß wie vielen anderen Unglücklichen teilte, und der Gedanke versetzte ihr einen Stich ins Herz.
    »Kann ich ihn heute Abend sehen?«
    »Er wird dich während der Mahlzeiten bedienen und sich um die Ordnung in deinem Zimmer kümmern, genau so wie er es im Palast getan hat, wenn du das meinst.«
    »Ich möchte, dass er wie mein Eigentum behandelt wird, also mit der Sorgfalt, die Dingen zukommt, die mir gehören.«
    Schwester Dorothea gönnte sich ein überhebliches Lächeln. »Er ist aber nicht mehr dein Eigentum. Dein Vater hat ihn dem Kloster verkauft. Es ist unser Entgegenkommen, dass er sich um dein Wohl kümmern darf, aber darüber hinaus ist er ein Sklave wie jeder andere auch.« Sie hielt inne, während Talitha noch überlegte, was diese Auskunft für sie bedeutete. »Pass mal auf«, fuhr die Frau dann fort. »Du hältst dich für besonders wichtig, weil du die Tochter des Grafen bist, doch deine Position unterscheidet sich nicht von der Jaras, der Tochter des Grafen von Fantea aus dem Reich des Winters, oder der Greles, der Tochter des Königs vom Reich des Herbstes. Vielleicht wirst du eines Tages Kleine Mutter werden, aber wenn, dann erst in vielen Jahren, und vorausgesetzt, die politische Lage ändert sich bis dahin nicht. Die Gesetze, die in Messe gelten, sind hier oben nicht von Belang. Wir stehen über diesen Gesetzen. Unsere Macht leitet sich direkt von den Göttern ab und steht über der deines Vaters, und selbst der eines Königs. Daher noch einmal: Je eher du dich an diese Situation gewöhnst, desto besser für dich.«
    Wie gern hätte Talitha ein Schwert in Händen gehabt, um
der Frau zu zeigen, mit wem sie es zu tun hatte. Sie war eine Kadettin, und mit der Klinge hätte sie ihr das Lächeln aus dem Gesicht vertrieben. Aber sie senkte den Kopf und sagte nur: »Ja, Schwester Dorothea.«
    »Komm jetzt. Es ist fast Zeit zum Abendessen«, forderte die Schwester sie mit zufriedener Miene auf.

    Das orangefarbene Licht des Sonnenuntergangs, das durch die großen Glasscheiben einfiel, zeichnete fantastische Muster auf den Fußboden des Refektoriums.
    Auf einem Podest stand eine mit dem Wappen des Klosters geschmückte Tafel. In deren Mitte saß die Kleine Mutter, und neben ihr, nach ihren Rängen geordnet, die höheren Priesterinnen.
    Vor der Tafel waren zwei Kniebänke aufgestellt, die mit scharlachrotem Samt gepolstert waren. Auf den Pulten lagen zwei aufgeschlagene

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