Nashira
zusammengehalten wurden, auf den Stapel. »Darauf kannst du dir Notizen machen. Geh sparsam damit um, neue bekommst du erst in einem Monat.« Kaum hatte sie ihre kleine Ansprache beendet, verlor sie das Interesse an der neuen Schülerin und vertiefte sich wieder in ihre Lektüre.
Unter der Bücherlast schwankend, suchte sich Talitha einen freien Platz an dem Tisch, an dem auch Kora saß. Schweigend
saßen die anderen da und lasen in ihren Texten. Das wurde nun auch von ihr erwartet, doch keines der Bücher lockte sie. Ganz interessant war höchstens das zur Geschichte Talarias, und so begann sie damit.
Immerhin muss ich keiner dummen Lehrerin zuhören, sagte sie sich, doch ein Stöhnen entfuhr ihr, als sie die erste Seite aufschlug. Die Schrift war unglaublich klein, die Seiten bis zum Rand gefüllt, und dann noch in zwei Spalten gesetzt. Um das alles zu lernen, würde ihr ganzes Leben nicht ausreichen.
Ergeben tauchte sie die Feder in die Tinte und schrieb dann auf die erste Seite: Tag eins, Geschichte. Dann begann sie zu lesen.
11
M it dem Handrücken wischte sich Saiph den Schweiß von der Stirn. Die Schmerzen in den Knien, auf denen er seit zwei Stunden auf den harten Brettern des Schlafsaals hin und her rutschte, spürte er nicht und auch nicht die im Rücken, den er ständig beugen musste. Doch die Erschöpfung nahm er umso deutlicher wahr. Nach den Stockhieben und dem Verbot, am Morgen Talitha zu sehen, war dies der letzte Teil seiner Bestrafung: Er musste ganz allein die Sklavenbaracke putzen. Bald fragte er sich, wann man hier zuletzt sauber gemacht hatte. Es wimmelte von Insekten, manche lebten, andere waren tot, und das teilweise schon so lange, dass die leeren Körperhüllen unter den Händen zerfielen. Spinnweben wickelten sich um seine Hände, wenn er sie fortfegen wollte, und der Fußboden war mit Schmutz jeglicher Art überzogen: Kein Wunder, denn es gab nur einen einzigen Nachttopf für die Notdurft aller Sklaven.
Als er Messe verlassen hatte, war sich Saiph darüber im Klaren gewesen, dass sich seine Situation verschlechtern würde, doch dass es so schlimm würde, hatte er sich nicht vorstellen können. Schon von klein auf hatte ihm seine Mutter immer wieder gesagt, wie glücklich sie sich schätzen mussten, dass die jungen Gräfinnen ihnen wohlgesinnt waren.
Allerdings war er überzeugt, dass er sich rasch an die neue Situation gewöhnen würde: Schließlich war er gut darin, nicht aufzufallen und die Rolle des stets gehorsamen Sklaven
zu spielen. Einige Aufseher im Palast hatten noch nicht einmal seinen Namen gekannt, weil er sich so selten etwas hatte zuschulden kommen lassen.
Als er aufstehen wollte, knickte er sofort ein, weil die Beine ihn nicht mehr trugen. Er setzte sich auf den Fußboden und rollte sich die Hose bis zu den Oberschenkeln hoch. Seine Knie waren mit blauen Flecken übersät.
Noch vor dem Morgengrauen hatte für ihn der Tag begonnen. Eine Priesterin hatte ihn und die anderen Sklaven geweckt und sie dann für die täglichen Arbeiten eingeteilt: Die einen schickte sie in die Küche, andere in die Wäscherei, wieder andere zu den Lastenaufzügen, über die das Kloster mit Nahrungsmitteln versorgt wurde. Ihm blieben die erniedrigendsten Arbeiten vorbehalten, Abfälle wegschaffen, Aborte säubern und nun die Baracke putzen, und er fragte sich, ob man es speziell auf ihn abgesehen hatte oder ob dies die übliche Behandlung für einen Neuankömmling war.
Er stemmte sich hoch und humpelte hinaus. Um diese Tageszeit waren die Wege und Stege im Klosterbereich sonnenbeschienen und leer. Die Novizinnen waren mit Lernen beschäftigt, die Priesterinnen mit Gebeten und mit den Obliegenheiten ihres Glaubens. Im nächsten Moment hielt ein Aufseher mit dem Strafstock in der Hand ihn an.
»Du sollst den Schlafsaal putzen.«
»Damit bin ich fertig.«
Der andere schaute ihn zweifelnd an. »Das werden wir noch sehen. Melde dich in der Küche. Der Müll ist wegzutragen.«
Durch die wunden Knien beeinträchtigt, stolperte Saiph, als er sich in Bewegung setzen wollte, und fiel auf alle viere.
Er hatte sich noch nicht wieder aufgerichtet, als ihn schon der Strafstock des Aufsehers traf. Eine lähmende Welle der Furcht durchfuhr ihn, er stürzte und lag, die Arme ausgebreitet, mit dem Gesicht auf dem Boden da.
Gleich darauf packte ihn der Aufseher und zog ihn hoch. »Hast du jetzt verstanden oder brauchst du noch mehr?«
»Nein, ich hab verstanden«, murmelte Saiph, wobei er abwehrend die
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