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Nashira

Nashira

Titel: Nashira Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Troisi
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stören, die in der Nähe standen. »Wo hast du denn gesteckt?«
    »Herrin ...«
    »Was ist mit dir? Warum hinkst du?«
    Saiph trat einen Schritt zurück. »Herrin ...«, sagte er noch einmal.
    »So rede doch. Was ist los mit dir?«
    »Genau diese Frage wollte ich dir auch gerade stellen.« Wie aus dem Nichts war Schwester Dorothea hinter ihr aufgetaucht und blickte sie streng an.
    »Was habt ihr mit meinem Sklaven gemacht?«, stieß Talitha hervor.
    Die Nasenflügel der Priesterin zitterten. »Habe ich dir etwa das Wort erteilt?«
    Das Mädchen hatte bereits den Mund geöffnet, um etwas zu erwidern, doch ein Blick von Saiph überzeugte sie, die Empörung hinunterzuschlucken. Sie zwang sich, den Kopf zu senken. »Nein, Schwester.«
    Die Erzieherin verzog verächtlich das Gesicht. »Ich kenne die Sitten bei dir zu Hause nicht, aber hier lassen wir derlei Vertraulichkeiten zwischen Novizinnen und Sklaven nicht durchgehen.«
    »Ich wollt doch nur wissen ...«
    Schwester Dorothea hob einen Finger. »Ich habe dir nicht das Wort erteilt. Heute wird dein Leibdiener kein Essen bekommen, damit dir deutlich wird, dass wir über ihn bestimmen und nicht du. Aber er wird nicht allein für deine Unbotmäßigkeit
büßen«, fügte sie noch hinzu, während sie sich schon umdrehte und entfernte.
    Nicht weit entfernt sah Talitha Grele, die kichernd mit ihren beiden unzertrennlichen Gefährtinnen zusammenstand, während Kora neben ihr verlegen den Blick abwandte.
    »Ach, Saiph ...«, seufzte sie.
    Er schüttelte den Kopf. »Geh lieber, und mach dir keine Gedanken wegen des Essens. Ich werde schon etwas unter den Abfällen finden.« Als er ihre niedergeschlagene Miene sah, fügte er rasch noch hinzu. »Ehe ich’s vergesse, Herrin, ich hab dir noch was in die Zelle gebracht, das deine Laune sicher heben wird.« Und damit schleppte er sich, unter der Last des Sackes schwankend, davon.

    Als Talitha die Tür ihrer Zelle aufzog, überkam sie das Gefühl, ersticken zu müssen. Sie konnte sich einfach nicht daran gewöhnen, nur so wenig Platz zur Verfügung zu haben. Tatsächlich vermisste sie ihr Zimmer im Palast, was sie vorher niemals für möglich gehalten hätte. Sie eilte zu ihrer Truhe, hob rasch den Deckel und holte hervor, was darin verstaut war: nicht viel mehr als ein wenig Unterwäsche und zwei Novizinnengewänder. Dann tastete sie über den Boden, und fand den Spalt vor der Truhenwand. Sofort löste sie ein dünnes Holzbrett, indem sie die Finger in den Spalt steckte. Ein Nagel brach ab, aber schließlich hob sie das Brett heraus und legte es zur Seite. Sie schaute in das Geheimfach: Schmerz und Wehmut überkamen sie bei dem Anblick des Inhalts und versetzten ihr einen Stich.
    Ordentlich gefaltet lag da ihre Kadettinnenmontur: die mit Leder verstärkte Hose, das weite Hemd, der Überrock,
sogar die Stiefel. Und obendrauf, auf dem Stoff, ein Dolch. Das Funkeln des Stahls war eindeutig: Es war eine frisch geschmiedete Waffe. Ihre Waffe.
    Gut gemacht, Saiph, sehr gut, dachte sie dankbar. Wie hatte er es, bei seinen schweren Arbeiten und der strengen Überwachung, wohl geschafft, auch noch die Sachen, die er für sie mit ins Kloster geschmuggelt hatte, in ihrer Truhe zu verstecken? Bevor sie den Zwischenboden wieder einsetzte, konnte Talitha der Versuchung nicht widerstehen: Behutsam nahm sie den Dolch in die Hand und betrachtete das glitzernde Metall, das im bernsteinfarbenen Schein des frühen Nachmittags leuchtete. Einen Moment lang kam es ihr so vor, als wenn noch nichts verloren sei, dass diese Waffe ein Beweis für ihre unauflösliche Bindung an die Garde war. Gewiss, das Kloster war die Gegenwart, dieser Dolch jedoch war die Bestimmung, an der nichts etwas ändern konnte, auch nicht der Aufenthalt in diesem Gefängnis. Das Licht glitt an dem Stahl entlang, und sein Widerschein durchlief den Raum, um sich schließlich auf den Anhänger an dem Lederband zu legen, den Stein, der einmal ihrer Schwester gehört hatte. Es war, als erwache etwas in ihm, als der Lichtschein ihn traf. Auf seiner Oberfläche blitzte etwas auf, eine Figur, vielleicht auch eine Inschrift, es war nicht genau zu erkennen. Jedenfalls strahlte es so stark, dass noch die gegenüberliegende Wand davon erhellt wurde. Talitha blickte dorthin und riss vor Staunen den Mund weit auf.
    Da war tatsächlich eine Inschrift, die wie durch Zauberhand an die Wand geworfen wurde. Ihre Schwester musste sie mit einem unglaublich feinen Werkzeug in den Stein eingraviert

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