Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nashira

Nashira

Titel: Nashira Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Troisi
Vom Netzwerk:
wichtig.

    Sie stärkten sich mit einem Apfel und einem Kanten Brot, die das Mädchen noch in der Küche eingesteckt hatte, und machten sich dann wieder auf den Weg. Irgendwann bemerkte Saiph, dass Talithas Rücken gerötet und voller Kratzer war. Das Schwert, das sie unter Weste und Gürtel geschoben hatte, scheuerte auf der Haut zwischen ihren Schulterblättern.
    »Lass mich mal das Schwert tragen.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Das ist meine Waffe, mit der kann nur ich umgehen.«

    »Aber sie scheuert dir den Rücken wund, und außerdem hast du selbst gesagt, dass uns hier oben niemand aufspüren kann.«
    Talitha gab nach und zog, die Zähne zusammenbeißend, das Schwert hervor.
    Saiph legte seine bereits zerfetzte Jacke ab und riss noch einige weitere Stoffstreifen runter. Die wickelte er um die Klinge und schuf mit zwei weiteren Bändern eine Art Tragegurt.
    »Die Klinge ist scharf wie ein Rasiermesser, der Stoff wird nicht genügen«, wandte Talitha ein.
    Doch Saiph zuckte nur mit den Achseln und rückte sich die Waffe zurecht. »Ich spüre ja sowieso keinen Schmerz. Ein paar Kratzer mehr oder weniger stören mich da nicht.«
    Mit nacktem Oberkörper stand er vor ihr. Seit sie ins Kloster aufgestiegen waren, war er unglaublich abgemagert. Auf seiner blassen Haut erkannte sie kreisrunde, dunkle Brandmale, die Spuren des Strafstocks. Hatte es Talitha vorhin noch einen Moment lang um das zerstörte Kloster leidgetan, so schien ihr jetzt so eine Feuersbrunst keine ausreichende Strafe für einen Ort zu sein, der so viel Leid und Schmerz verursacht hatte.

    Nachdem sie lange durch das Geäst gewandert waren, häufig auf allen vieren, um nicht hinunterzufallen, erreichten sie die äußersten Zweige des Talareths über den Außenbezirken der Stadt. Die Äste neigten sich nach unten, und sie kamen nicht mehr weiter. Es würde ihnen nichts anderes übrigbleiben, als ein Stück hinunterzuklettern und sich einen gangbaren Weg zu suchen, aber zunächst einmal ruhten sich auf einer mit
weichem Moos bewachsenen Astgabel aus. Talitha spürte jeden einzelnen Muskel ihres Körpers.
    »Und was machen wir nun?«, fragte Saiph, nachdem sie sich ein wenig erholt hatten.
    »Wir müssen irgendwie hinunter. Die Zitadelle liegt weit genug zurück, hier am Stadtrand werden sie uns nicht so leicht erwischen. Und dann ... wandern wir ins Reich des Herbstes. Dort suchen wir den Ketzer, von dem wir gelesen haben und ...«
    Talitha hielt inne, als sie Saiphs enttäuschtes Gesicht sah, und kam seinem Einwand zuvor, indem sie die Hand hob.
    »Meine Schwester hat mir einen Auftrag erteilt, und den muss ich ausführen. Hast du nicht verstanden, Saiph? Die Welt verbrennt, und die Priesterinnen sehen gelassen zu, wie sie zu Asche verglüht. Wir müssen den Ketzer finden und uns von ihm alles erzählen lassen, was er weiß. Und dann ... Nun, er kommt aus der Wüste ...«, fügte sie kaum vernehmbar hinzu, »es gibt keinen anderen Weg für uns. Wohin sollten wir auch sonst gehen? In Talaria ist kein Platz mehr für uns beide. Beata hingegen ...«
    »Glaubst du denn wirklich, dass Beata existiert?«, fragte Saiph skeptisch.
    »Der Ketzer hat von einer Stadt in der Wüste erzählt. In der Wüste, Saiph, verstehst du? Von einer Stadt ohne Bäume, die für Luft sorgen müssen. Damit kann nur Beata gemeint sein. Du hast es doch auch so verstanden, als wir das Protokoll gelesen haben.«
    »Vielleicht ist dieser Ketzer einfach verrückt.«
    »Meine Schwester war da anderer Meinung. Andernfalls hätte sie nicht gewollt, dass ich die Texte lese. Sie wusste, wie riskant es für mich sein würde, an sie heranzukommen.«

    »Dann bist du verrückt. Wie willst du denn an einen Gefangenen herankommen, der wegen Ketzerei in Ketten liegt? Wie willst du die Kombattantinnen ausschalten, die seinen Kerker bewachen? Und auch wenn es uns gelänge, wieso glaubst du, dass wir mit den Dingen, die uns der Ketzer vielleicht erzählen kann, irgendeine Möglichkeit hätten, das Wiedererstarken von Cetus aufzuhalten? Wahrscheinlich kann man gar nichts dagegen tun, es passiert eben, Schluss, aus.«
    Talitha schaute ihn mit verärgerter Miene an. »Ich weiß, was du denkst. Du denkst, was alle denken: Jeder hat seinen bestimmten Platz, und an diesem Platz hat jeder seine Pflicht zu erfüllen und sein Schicksal ohne Murren anzunehmen. Aber wo wärest du jetzt, wenn ich nicht bereit gewesen wäre, mich dagegen aufzulehnen? Du wärest längst tot. Mir verdankst du dein Leben.

Weitere Kostenlose Bücher