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Nashira

Nashira

Titel: Nashira Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Troisi
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Brustkorb, Arme, Beine ...
    »Ich glaube, es ist alles noch heil.«
    Langsam rappelte sich Saiph auf und blieb tatsächlich stehen, während er, zur Probe, die Fäuste ballte und wieder öffnete. »Schwöre mir, dass du das nie mehr mit mir machst.«
    Talitha grinste.
    Sie befanden sich in einer Gegend von Messe, die ihr völlig unbekannt war. Die Häuser waren baufällige Baracken aus feuchtem Holz, von denen die Farbe abblätterte, und genau durch die Mitte der engen Gasse zog sich ein stinkender Abwasserkanal. In der Luft hing ein ekelerregender Gestank. Er kam von den Abfallhaufen überall, in denen Ratten und fette Insekten krabbelten, aber auch von dem ärmlichen Essen, das in den Häusern gekocht wurde, der fleckigen Wäsche, die zum Trocken vor den Fenstern hing, von all den Ausdünstungen der Verstoßenen, die ein Leben ohne Zukunft zwischen Dreck und Verfall führen mussten.
    Dieses Viertel erinnerte nicht im Entferntesten an die Stadt Messe, wie Talitha sie kannte, mit den eleganten Häuser aus Stein, unter denen die Abwässer unterirdisch abflossen, und den hübschen Läden, vor denen es nach frischem Obst und
Gemüse duftete. Sie erinnerte sich wieder an das Elend, das sie wenige Monate zuvor auf der Reise nach Larea gesehen hatte.
    »So, in welche Richtung gehen wir?«, fragte sie, bemüht, ihre Angst zu verbergen.
    Unentschlossen blickte Saiph sich um. Einen Moment lang fürchtete Talitha, dass sie irgendwo gelandet waren, wo er sich nicht auskannte, aber da erhellte sich sein Blick.
    »Dort lang«, sagte er bestimmt. »Der Palast deines Vater liegt dort hinten«, fügte er hinzu, wobei er auf einen sanften Hügel in der Ferne deutete, »und der Laden von Lanti liegt von dort aus im Westen. Die beiden Sonnen sind direkt vor uns untergegangen, die Richtung stimmt also, aber wir sind schon etwas zu weit draußen. Lanti wohnt an der Grenze zwischen dem Viertel Borghi und der Äußeren Stadt.«
    Kora war auch aus Borghi, einem Viertel Messes, in dem einfache, aber nicht unvermögende Bürger, Händler zumeist, wohnten. Das Mädchen verspürte einen Stich im Herzen: Wo mochte sie sein? Gewiss hatte sie sich gerettet, schließlich hatte Talitha die Novizinnen mit eigenen Augen die Wendeltreppe hinabsteigen sehen. Zumindest hoffte sie das.
    Sie tauchten tiefer in das Gassengewirr ein, bogen ein paarmal ab und liefen ein Stück Richtung Stadtmitte zurück. Als ihnen eine Wache entgegenkam, pressten sie sich flach gegen eine Hauswand. Der Mann wirkte verschlafen und ging langsam an ihnen vorüber, ohne sie zu bemerken. Als die Gefahr vorbei war, liefen sie weiter.
    »Da ist es«, sagte Saiph und bog ein letztes Mal um eine Ecke. Er deutete auf ein Haus, das sich in nichts von den anderen darum herum unterschied, aus Holzbohlen errichtet und mit weißer Farbe lackiert, die schon an mehreren
Stellen abgeplatzt war, und mit kleinen Fenstern mit geschlossenen Läden versehen. Über dem mit einer Eisenstange und einem großen Vorhängeschloss gesicherten Eingang hing ein schmiedeeisernes Schild, das eine Karte mit aufgerollten Rändern zeigte.
    »Die Wohnung liegt über dem Laden«, erklärte Saiph. »Aber wie willst du die Karte eigentlich bezahlen? Wir haben nichts dabei, was wir ihm geben könnten, außer deinem Schwert, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass du dich von ihm trennen willst.«
    »Auf gar keinen Fall. Wir müssen uns eben nehmen, was wir brauchen.«
    »Aber Lanti ist ein anständiger Mann«, wandte Saiph ein. »Ich weiß das, ich hatte schon ein paarmal mit ihm zu tun. Und er war immer sehr freundlich zu mir. Ich finde es nicht richtig, wenn wir ...«
    »Ich doch auch nicht«, unterbrach ihn Talitha, »aber uns bleibt nichts anderes übrig. Was wir vorhaben, ist viel zu wichtig. Da können wir nicht das Risiko eingehen, dass er uns verrät oder seine Hilfe verweigert. Wenn wir zurückkommen, vorausgesetzt, wir schaffen es, bezahlen wir ihm das, was wir uns ›geliehen‹ haben. Aber im Moment ...«
    »Du willst ihn also bestehlen«, sagte Saiph in einem Ton, dem seine Entrüstung deutlich anzuhören war.
    »Wenn Cetus alles verbrennt, kommt es darauf auch nicht mehr an«, fiel Talitha ihm ins Wort. Und um ihre Verlegenheit zu verbergen, begann sie, sich die Fassade des Hauses genauer anzuschauen. Den Vordereingang aufzubrechen wäre nicht unbemerkt geblieben und zu gefährlich gewesen, doch auf der Rückseite entdeckte sie ein kleines Fenster ohne Läden. Obwohl es wirklich sehr schmal war,

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