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Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Titel: Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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etwas … seltsam. Svenja wollte gerade wieder gehen, da öffnete sich die Haustür – eine Sechzigerjahre-Haustür mit einer dicken blinden Glasscheibe.
    »Guten Morgen«, sagte Katleen. »Also Frühstück. Für Abendessen ist es ein bisschen spät.«
    »Ich …«, begann Svenja.
    »Oder ein bisschen früh«, sagte Katleen und ging die Treppen hinauf. Svenja folgte ihr, perplex.
    Katleens Wohnung befand sich im ersten Stock und bestand, wie es aussah, aus einem einzigen großen Raum. Dieser einzige Raum war, wenn man Svenja gefragt hätte, eine Küche. In seiner Mitte stand ein klotziger Tisch mit sechs Stühlen darum herum. Auf den beiden Fensterbänken drängten sich Töpfe mit üppig grünen Kräutern, an der Wand stapelten sich auf angeschraubten Brettern Pfannen, Schüsseln und Backformen. Dies alles, dachte Svenja, musste Katleens Einrichtung sein, niemand vermietete eine Küche und sonst nichts. Katleen hatte das Wohn- und Schlafzimmer zu einer Küche
umfunktioniert.
    Die eigentliche Küche bestand aus einer Kochzeile an der Wand.
    »Setz dich«, sagte Katleen und nickte zu dem Tisch hin.
    Svenja setzte sich auf den Tisch und stellte die Füße auf einen der Stühle.
    »Gut«, sagte Katleen. Sie betrachtete einen Moment lang Svenjas gelbe Turnschuhe, drehte sich dann zum Herd um und goss Öl in eine Pfanne. »Pfannkuchen?«
    »Ja … gerne«, murmelte Svenja und fragte sich, ob sie so lange wegbleiben konnte. Der Junge hatte immerhin ein Marmeladenbrot und ein Buch. »Gestern, ich … ich wollte kommen, aber ich bin eingeschlafen. Das wollte ich nur sagen. Ich bin gekommen, um zu sagen, dass ich kommen wollte.«
    Katleen rührte grinsend in einer Teigschüssel. »Ach.«
    »Die Sache ist … Hör mal … Ich habe ein Problem. Hast du Netz hier?«
    »Netz? Was willst du denn fangen? Wieder einen Kanarienvogel?«
    »Nein. Ich will herausfinden, wo mein Kanarienvogel fehlt.«
    Katleen deutete mit dem Kopf auf eine Tür, die Svenja zuvor nicht bemerkt hatte, weil daran ein Poster hing: der billige Nachdruck eines Bildes, das ein Bett zeigte und darauf zwei verwischt hingepinselte Körper, die eigentlich eher aussahen wie Fleischklumpen.
    »Auf dem Klo«, sagte Katleen. »Hinter dem Bacon. Woanders kriegt man kein WLAN .«
    Svenja stellte fest, dass
der Bacon
das Bild meinte, dessen Maler so hieß, und dass auf der Kloschüssel hinter der Tür ein Laptop stand. Sie kniete sich davor, klappte ihn auf und las mit einiger Mühe nicht, was in dem geöffneten Dokument stand, ehe sie Google mit Worten fütterte.
    Vermisst Tübingen Junge dunkelhaarig Polizei Mai 2012
.
    Es gab eine Menge Zeitungsartikel, in denen zu viel über das Schicksal vermisster Kinder stand: Kinder in Gräben, Kinder in Gräbern, Kinder in Stücken, Kinder in einer unüberschaubaren Anzahl, entführt, missbraucht, aufgehängt, zwangsadoptiert, aus Fenstern geworfen. Ihr wurde leicht schwindelig.
    »Das Problem ist«, flüsterte sie, »ich
habe
das Kind ja. Es lebt. Ich möchte kein Kind finden. Ich möchte eins loswerden.«
    Keine Beschreibung eines aktuell vermissten Kindes traf auf den Jungen in ihrer Wohnung zu.
    Dieses Kind wurde nicht vermisst
.
Nirgendwo, von nirgendwem.
    Sie schloss die Seite und las versehentlich doch den letzten Satz des offenen Dokuments. Er lautete:
    Sie heißt Svenja
.
     
    »Die Pfannkuchen wären theoretisch fertig«, sagte Katleen. »Praktisch auch. Hast du gefunden, was du gesucht hast?«
    »Nein«, sagte Svenja und klappte den Laptop zu. »Das Problem ist«, ergänzte sie leise, »dass ich etwas gefunden habe, was ich nicht gesucht habe.«
    Sie setzte sich mit Katleen an den großen Tisch. Die Pfannkuchen waren dünn wie Mittagslicht. Katleen nahm eines ihrer sehr scharfen Küchenmesser, schnitt einen Apfel in Stücke und rollte die Pfannkuchen darum zu zwei Zigarren. Sie waren so perfekt, dass beim Essen nicht einmal etwas herausfiel. Eigentlich war das schade. Svenja dachte an die Schweinereien ihrer Kindheit: Pfannkuchen, aus denen die Schokoladensoße lief, Spaghetti, die sich selbstständig machten, Käsefondue, das Fäden bis unter den Tisch zog.
    »Ich habe noch nie jemanden getroffen, der so kochen kann«, sagte sie.
    Katleen zuckte die Schultern. »Kochen und Kunstgeschichte. Ich mache nur Sachen mit K.« Sie steckte ein Stück Pfannkuchen in den Mund, kaute sehr langsam und sah Svenja dabei die ganze Zeit an. Ihr Blick war … Er war wie das Messer. Gut geschärft. »Und du?«
    »Ich? Ich mache

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