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Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Titel: Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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eigenen Veranstaltung zu fahren.
     
    Dies war nicht Svenjas Tag.
    Sie fuhr ungefähr einen Meter auf dem gelben Fahrrad, ehe die Kette absprang. Svenja hielt an und fluchte.
    Sie kniete sich neben das Rad und versuchte es mit den Fingern, doch das führte nur dazu, dass die Finger schwarz wurden.
    Sie würde das schöne und nutzlose Sonnengelb den Berg hinunterschieben müssen. Sie hatte vorgehabt, vielleicht doch in die Embryologie-Vorlesung zu gehen, aber die Embryonen würden ohne sie klarkommen müssen und wie alles andere aus irgendeinem Buch gelernt werden.
    Vor der HNO saß derselbe junge Arzt wie beim letzten Mal und rauchte. Er trug jetzt keinen Kittel.
    »Ich frage mich«, flüsterte sie, »wie das ist. Wenn man erst den ganzen Mist mit dem Studium hinter sich hat. Keine Prüfungen mehr, nichts. Wenn man einen Job hat und vielleicht eine Familie. Und keine Fragen mehr an das Leben, nur noch Antworten. Und ein Auto. Vor allem ein Auto.«
    Ehe sie das Sonnengelb weiterschieben konnte, drückte der Arzt seine Zigarette aus, stand auf und kam über die Straße, um eines der Fahrräder aufzuschließen. Ein Fahrrad mit einer Menge Gänge, die richtige Sorte Fahrrad für Tübingen. Das sonnengelbe Rad hatte nur drei.
    »Entschuldigen Sie«, sagte Svenja, »könnten Sie mir helfen? Meine Kette ist abgesprungen.«
    Er sah von dem Rad auf, das er aufgeschlossen hatte. »Deine Kette?«
    »Nein, nicht meine«, sagte Svenja und zeigte neben sich. »Die von meinem Fahrrad.«
    »Ach so.« Er fuhr sich nachdenklich durchs Haar. Es war kurz, aber nicht sehr kurz, also ungefähr so lang wie das von Svenja, nur glatter und ordentlicher und irgendetwas zwischen braun und rot. Er besaß eine Handvoll winziger Sommersprossen im gleichen Farbton, die ihn auf seltsame Art jung wirken ließen. Obwohl er vermutlich zehn oder fünfzehn Jahre älter war als Svenja. Das einzig Alte an seinem Gesicht waren die Schatten unter den Augen, Wenig-Schlaf-Schatten, Arzt-im-Dienst-Schatten, Keine-Zeit-für-Ruhe-Schatten. Natürlich, er würde auch keine Zeit haben, ihr zu helfen …
    »Wir brauchen einen Esslöffel«, sagte er und lächelte die Schatten weg. »Kannst du reingehen und einen holen? Aus der Cafete?«
    Svenja nickte. Die Frau in der Cafete sah sie etwas verwundert an, als sie um einen Esslöffel für ihr Fahrrad bat. Draußen kniete der Arzt jetzt neben ihrem Rad, um den Zahnkranz zu begutachten. Sie blieb einen Moment lang stehen und betrachtete seinen gekrümmten Rücken. Sie mochte den dunkelblauen Wollpullover, auf dem die Maisonne lag wie eine schläfrige Katze. Und auf einmal verspürte sie den Drang, sich an diesen Pulloverrücken zu lehnen und dem fremden Arzt von dem stummen Jungen zu erzählen. Ihn zu fragen, was sie tun sollte: einen erwachsenen, vernünftigen Menschen.
    Sie räusperte sich. »Der … Löffel?«
    Er sah auf, seine Finger schwarz von der Schmiere der Kette. Seine Augen in den müden Schatten waren ernst und braun, aber ohne jede Art von Dunkelheit. Svenja hätte ihn gerne etwas länger angesehen. Nur so. Sein Gesicht. Aber er beugte sich mit dem Löffel wieder über das Rad und nahm das Gesicht mit. Er brauchte nur Sekunden, um die Kette auf den Zahnkranz zu hebeln.
    »Du musst das festziehen lassen«, sagte er und gab ihr den Löffel zurück. »Bei irgendeinem Fahrradladen. Das Ding ist viel zu lose.«
    »Danke«, sagte Svenja. »Ich … kann ich mich irgendwie revanchieren?«
    »Unsinn, schon okay.« Er schüttelte den Kopf, und Svenja hatte einen Moment lang Angst, die Sommersprossen könnten von seinem Gesicht fallen. Beinahe hätte sie die Arme gehoben, um ein paar von ihnen aufzufangen. Sie streckte stattdessen die Hand aus. Ihre schwarze schmierige Hand schüttelte seine.
    »Ich bin Svenja«, sagte sie. »Svenja Wiedekind. Ich studiere Medizin und …«
    Er sah auf seine Armbanduhr, als müsste er dort nachsehen, wie er selbst hieß.
    »Gunnar Holzen«, sagte er. Er zögerte einen Moment lang, als wollte er mehr sagen, irgendetwas, das nichts mit Fahrrädern zu tun hatte. Als hätte er gerne länger mit ihr geredet. Nur so.
    »Ich muss los«, sagte er dann, wie jemand, der sich selbst ertappt hat. »Vergiss das mit dem Festziehenlassen nicht, ja?«
    Damit stieg er auf sein eigenes Rad und fuhr den Berg hinunter, in weiten Serpentinen. Svenja sah ihm nach. Sie wollte noch so viel sagen.
    Wie haben Sie das damals gemacht, mit all diesen unsinnigen Kursen? Mit den Prüfungen? Waren Sie so wie die

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