Nasses Grab
fiel gegen irgendetwas – eine Kommode vielleicht – und blieb bewusstlos liegen. Dann haben Sie Ihren Freund Krasnohorský angerufen, haben ihn gebeten zu kommen und sich um Dana zu kümmern. Und dann sind Sie abgehauen.«
»Sie hat gelebt!«, sagte ˇerný heftig. Er rieb seinen verstümmelten kleinen Finger. »Sie haben recht, sie hat mich gebissen. Aber sie war nicht tot, als ich ging. Ich hatte doch keinen Grund, sie zu töten. Das war ein Unfall.« Er zog an seiner Zigarette. »Sie hat gelebt«, wiederholte er.
»Der Knochen – Ihr Knochen – Herr Doktor, ist aus Dr. Axamits Schreibtisch gestohlen worden.«
ˇernýs Telefon klingelte. Der Pathologe starrte regungslos auf den Apparat.
»Heben Sie ab«, befahl Anděl.
ˇerný drückte die Taste der Gegensprechanlage.
»Herr Doktor«, meldete sich die Stimme der Sekretärin krächzend, »verzeihen Sie bitte, ich weiß, dass Sie nicht mehr gestört werden wollten, aber Seine Eminenz, der Rektor, ist in der Leitung und will mit Ihnen sprechen.«
»Danke, stellen Sie ihn durch«, sagte ˇerný und hob den Hörer ab. »ˇerný«, meldete er sich. Dann sagte er lange nichts, doch sein Gesicht sprach Bände. »Ich verstehe«, antwortete er schließlich mit matter Stimme und legte mit zitternder Hand den Hörer auf die Gabel. Er sah den Kommissar lange mit versteinertem Gesicht an.
»Geht das auf Ihr Konto, Anděl?«
Der Kommissar sah ihn fragend an.
»Der Rektor der Universität hat mich soeben darüber informiert, dass ich mit sofortiger Wirkung vom Dienst suspendiert sei.«
Anděl nickte freundlich. »Sie mögen kein Mörder sein, Herr Doktor, aber Sie sind ein Dieb. Sie wissen so gut wie ich, dass Sie wichtiges Beweismaterial gestohlen und vermutlich vernichtet haben.«
Der Oberst hatte die ganze Zeit schweigend und rauchend am Tisch gesessen. Als handelte es sich gar nicht um seinen Sohn, dachte Anděl verwundert. Hatte der Alte das alles schon gewusst? Vermutlich. Außerdem war der Mann sein Leben lang beim Geheimdienst gewesen, er hatte also noch wesentlich mehr Erfahrung als Anděl darin, bei Befragungen Ruhe und Gelassenheit zu bewahren. Und im Grunde, dachte Anděl, hat sein Sohn ja nichts weiter zu befürchten, er hatte die Frau nicht umgebracht, da war Anděl sich sicher. Aber warum log er dann immerfort, fragte er sich. Was hatte der Doktor zu verbergen?
»Schön, das wäre ja dann geklärt. Vergessen Sie bitte im Anschluss an unser Gespräch nicht, ohne Umwege und Gepäck das Gebäude zu verlassen, Herr Doktor.« Er schmunzelte. »Wie beim Monopoly – geh nicht über Los, zieh keine viertausend Kronen ein.« Fiesling, schalt er sich. Aber er hatte nicht widerstehen können. Nun, der Doktor würde die Stichelei verschmerzen. Wer so gut austeilen konnte wie er, musste ab und an auch einstecken. »Weiter im Text«, fuhr Anděl fort, »angenommen, Dana hat tatsächlich noch gelebt – hat jemand Sie gesehen, als Sie gingen?«
»Ich glaube nicht«, sagte ˇerný.
»Und warum waren Sie dann neulich bei Milan Hora?«, fragte Anděl.
Der Arzt starrte ihn entsetzt an.
»Lügen Sie mich nicht wieder an, Herr Doktor, wir wissen, dass Sie dort waren. Also, was wollten Sie von ihm?«
ˇerný senkte resigniert den Kopf. »Er hat mich gesehen. Hora. Auf der Karlsbrücke, als ich weggelaufen bin. Ich habe ihn fast umgerannt. Er hat mich erkannt. Ich wollte mit ihm reden, als ich von dem anonymen Anrufer hörte.« Er blickte wieder auf. »Aber ich habe ihn nicht erschossen. Ich besitze keine Waffe. Ich wollte nur mit ihm reden.«
»Haben Sie mit ihm gesprochen?«
ˇerný nickte. Anděl schwieg. Der Oberst rauchte ungerührt.
»Ich habe ihm Geld gegeben. Ich wollte, dass er mich da rauslässt.«
»Aber Hora hat nicht Sie angeschwärzt. Er hat dieser Reporterin nur von Krasnohorský erzählt – von Ihnen hat er kein Wort gesagt. Warum haben Sie ihm also Geld gegeben?«
»Er sollte für sich behalten, dass er mich dort gesehen hatte. Auf der Karlsbrücke. Und dann – auch wegen Honza. Ich … ich wollte mich für seine Hilfe damals revanchieren. Hora sollte in Zukunft sein verdammtes Mundwerk halten.«
Anděl nickte. Eine schwache Begründung, dachte er, aber immerhin möglich.
»Sie nehmen also an, dass Honza sie getötet hat?«
»Ich weiß es nicht … ich … Wer sollte es denn sonst getan haben?«, fragte ˇerný kopfschüttelnd. Er drückte seine abgebrannte Zigarette im Aschenbecher aus.
Vielleicht sagt er die Wahrheit, dachte Anděl,
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