Nasses Grab
nicht mit ihm gesprochen.«
»Warum nicht?«
»Er war tot.«
»Und warum haben Sie nicht die Polizei verständigt?«
Das Gesicht des Obersts verzog sich zu einem ironischen Grinsen.
»Ich wollte mich nicht einmischen.«
Ja, das passt zu dir, dachte Anděl. Er hatte so eine Antwort erwartet.
»Wenn Sie keine Fragen mehr haben, Herr Kommissar«, sagte der Oberst und stand auf, »dann gehe ich jetzt. Ich habe noch eine dringende Verabredung.« Er ging zur Tür.
»Kannten Sie Alena Freeman, Herr Oberst?«, fragte Anděl.
Der Oberst blieb abrupt stehen und drehte sich langsam um.
»Alena Freeman?«, fragte er.
Anděl nickte.
»Nein«, antwortete der Oberst und ging hinaus.
»Sie weiß, wer die Svobodová umgebracht hat«, sagte Anděl.
»Und warum will sie die Person schützen?«, fragte sein Partner.
Anděl schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Ahnung, Nebeský. Ich weiß nur, dass sie nicht geträumt hat, wie sie nach wie vor behauptet.« Er hupte. »Dieser Verkehr ist die Hölle!«, schimpfte er. Sie standen schon seit einer halben Stunde im Stau auf der Magistrale.
Antonín Cajthaml hatte vor knapp dreißig Minuten, als Anděl gerade das Gerichtsmedizinische Institut verlassen hatte, angerufen und berichtet, Jay Beaumont sei gerade in seinem Hauseingang verschwunden. Anděl hatte Nebeský im Präsidium abgeholt, und nun standen sie im Stau. Cajthaml hatte Anweisung, Krasnohorský nicht aus den Augen zu lassen, falls dieser das Haus wieder verlassen sollte, und sich in diesem Fall sofort bei ihnen zu melden. Im Auto hatte Anděl Nebeský von seinen Gesprächen berichtet.
Das Zusammentreffen mit Dr. ˇerný und seinem Vater, dem Oberst, hatte ihn etwas weitergebracht. Ebenso wie der Anruf bei seiner Mutter. Und das Schmuckkästchen, das Lída ihm gegeben hatte. Die Fotos, die er darin gefunden hatte, bestärkten seinen Verdacht. Ja, es fügte sich alles zu einem Bild zusammen. Aber bestätigen konnte es ihnen nur Honza Krasnohorský alias Jay Beaumont. Und nicht zu vergessen Markéta Kousalová, die kleine Sphinx.
»Verdammt, fahr doch endlich, du Idiot!« Vor ihnen stand ein dunkelblauer Škoda mit Pilsener Kennzeichen und konnte sich offenbar nicht entscheiden, in welche Richtung er fahren wollte. Abbiegen oder nicht abbiegen, schien die Frage zu sein. Anděl hupte abermals.
»Ich weiß ja, dass du dich beim Autofahren in einen Berserker verwandeln kannst«, sagte Nebeský lachend, »aber der Tobsuchtsanfall im Büro – o Mann, das hätte ich dir gar nicht zugetraut!«
»Hör auf. Ich habe mich entschuldigt. Aber sie hat den Anpfiff verdient. Ich hätte ihr den Hals umdrehen können! Alena Freeman, der Hora – wenn wir das alles nur früher gewusst hätten!« Er hupte erneut. Lange. Legte seinen ganzen Frust in das Hupen. Es half nicht. Ihm nicht und ihrem Weiterkommen auf dieser verstopften Straße auch nicht.
Die Schweigsamkeit, die die Kousalová an den Tag legte, frustrierte ihn. Aber wenn die Fotos das bedeuteten, was er glaubte, dann waren sie vielleicht nicht mehr weit von der Lösung entfernt. Vielleicht war das Foto das Motiv. Ein glückliches Hochzeitspaar.
Er zermarterte sich seit seinem ersten Gespräch mit Markéta Kousalová das Hirn darüber, wen sie gesehen hatte. Nun glaubte er, es zu wissen. Ob er recht hatte, konnte nur Markéta ihm sagen. Aber Krasnohorský hatte auch noch etwas beizutragen.
»Okay, noch mal von vorn«, sagte Nebeský nachdenklich. »Lenka Svobodová ist in Danas Wohnung – warum auch immer. Ihr Zug ging erst spätnachts, wie wir von der Karafiátová wissen. Dana sollte schon weg sein, angeblich auf dem Weg nach Jugoslawien. Aber sie könnte noch da gewesen sein – falls sie tatsächlich von Lenka die Ausreisepapiere bekommen hat. Meinst du, die beiden haben das zusammen ausgeheckt? Lenka bekommt die Ausreisegenehmigung, Dana färbt sich die Haare, und fährt an Lenkas Stelle nach Österreich. Hat Lenka das Ding nur beantragt, weil sie Dana helfen wollte abzuhauen?«
»Dafür spräche immerhin, dass sie ja erst kurz zuvor geheiratet hatte. Auf dem Foto aus dem Schmuckkästchen ist ein überglückliches Hochzeitspaar zu sehen. Warum also hätte Lenka abhauen sollen? Krasnohorský war ja in Prag«, sagte Anděl.
Der Typ im Škoda hatte sich endlich entschieden und war abgebogen. Sie fuhren ein paar Meter weiter.
Nebeský zog das Foto aus dem Umschlag und betrachtete es.
»Hmm. Okay. Aber warum ist Lenka in Danas Wohnung? Und warum hat sie sich die
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