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Nasses Grab

Nasses Grab

Titel: Nasses Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Reich
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angerufen«, sagte er schließlich resigniert. »Dana ist auf mich losgegangen. Sie hat mir vorgeworfen, dass ich sie verlasse, dass ich sie nicht mitnehmen wolle nach Malta. Sie war schrecklich eifersüchtig. Sie warf mir vor, ich hätte eine andere.« Er zögerte und fuhr nach einer Weile fort. »Sie hatte nicht ganz unrecht. Na ja, Dana ging jedenfalls auf mich los, und ich habe versucht … ich habe sie von mir weggestoßen, und da ist sie gestolpert und gefallen. Sie hat sich den Kopf an der Kommode angeschlagen. Aber sie war nicht tot!« Er ging zum Schreibtisch zurück und setzte sich schwerfällig. »Sie war nur bewusstlos. Sie hat geatmet, verdammt noch mal! Ich war in Panik. Mein Flug – ich wollte nach Malta. Sie brauchte Hilfe, ich wollte sie nicht einfach dort liegen lassen … Also habe ich Honza angerufen. Ich bat ihn, zu kommen und sich um Dana zu kümmern. Und ich denke, das hat er getan.«
    So war das also, dachte Anděl und trank seinen Kaffee aus. Inzwischen schmeckte der wie braunes Zuckerwasser. Wie viele Lügen würde der Doktor ihm noch auftischen, fragte er sich. Denn dass das, was ˇerný ihm eben erzählt hatte, wenigstens zum Teil eine Lüge war, wusste er.
    »Später habe ich auf Malta von einer Kollegin gehört, dass Dana auf einer Reise nach Jugoslawien ums Leben gekommen ist. Sie hat also gelebt. Ich habe sie nicht umgebracht. Sie ist nach Jugoslawien gefahren.« ˇerný sah Anděl trotzig an.
    »Das ist sie nicht«, sagte Anděl und sah den Oberst an. »Nicht wahr, Herr Oberst?«
    »Woher soll ich das wissen, Herr Kommissar?«, fragte der Oberst. Er hatte eine angenehme, tiefe Stimme, ganz wie sein Sohn.
    »Sie hatte keine Ausreisegenehmigung bekommen. Kein Wunder, als junge, ledige, kinderlose Frau. Sie wollte vielleicht fahren, aber Sie haben das verhindert. Sie wollten nicht, dass Dana womöglich zu Ihrem Sohn nach Malta fährt – über den Umweg Jugoslawien.«
    Der Oberst lächelte. »Sie war nicht die richtige Frau für meinen Sohn. Er wusste es nur noch nicht. Aber ich musste nichts weiter unternehmen. Wie Sie schon sagten, als unverheiratete Frau ohne Kinder, die sie zurücklassen könnte, hatte sie keine Chance, eine Ausreisegenehmigung zu bekommen.«
    »Sie ist nicht gefahren?«, fragte der Arzt überrascht. »Aber meine Kollegin …«
    »Haben Sie nicht die Zeitung gelesen, Herr Doktor?«, fragte Anděl. Er wartete nicht auf eine Antwort. »Haben Sie nicht den vorläufigen Bericht von Frau Dr. Axamit gelesen? Haben Sie nicht mit Staatsanwalt Otčenášek über den Fall der Mumie gesprochen, die in der Metro am Můstek gefunden wurde?«
    »Doch, natürlich …«
    »Dann hören Sie endlich mit diesen an den Haaren herbeigezogenen Geschichten auf!«, rief Anděl verärgert aus.
    ˇerný starrte ihn an.
    »Spätestens seit Ihrem Gespräch mit dem Staatsanwalt haben Sie gewusst, dass Dana ihre Wohnung nicht mehr lebend verlassen hat. Dass sie diese ominöse Reise nie angetreten hat. Sie wissen, dass wir davon ausgegangen sind, dass die Mumie aus der Metro Dana Volná ist.«
    ˇerný schwieg. Er schlug die Augen nieder.
    »Ich werde Ihnen sagen, was an jenem Abend passiert ist.« Anděl warf die längst abgebrannte Zigarette in den Aschenbecher und steckte sich eine neue an. ˇerný nahm sich eine aus einer Packung, die auf seinem Schreibtisch lag. Er schob ein paar Papiere zur Seite, holte ein Feuerzeug darunter hervor und zündete die Zigarette an. Sein rechter kleiner Finger war deutlich kürzer, als er sein sollte, wie Anděl bemerkte. Der Pathologe konnte diesen Makel wirklich vollendet verbergen. Anděl kannte ihn seit Jahren, aber der verstümmelte Finger fiel ihm jetzt zum ersten Mal auf.
    »Sie sind zu Dana gefahren an jenem Abend. Sie haben gestritten – worüber auch immer. Nach allem, was ich weiß, neige ich zu der Ansicht, dass Sie die eifersüchtige Partei waren – aber das spielt keine Rolle. Dana hat geschrien, Sie haben ihr den Mund zugehalten – und den Hals zugedrückt. Dr. Axamit hat Würgemale am Hals der Mumie festgestellt. Dana bekam keine Luft – und da hat sie Sie gebissen.«
    Noch bevor er selbst etwas dagegen tun konnte, fuhr ˇernýs linke Hand, in der er die Zigarette hielt, instinktiv zu seiner rechten. Asche wirbelte durch die Luft über dem Schreibtisch. Er sah Anděl erschrocken an.
    Anděl nickte. »Ja, sie hat Sie gebissen, genauer gesagt, sie hat Ihnen ein Stück Ihres Fingers abgebissen. Sie stießen sie vor Schmerz von sich fort, sie

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