Nasses Grab
verblüfft.
»Schau mich nicht so entgeistert an, ich habe mir das nicht ausgedacht. Es wäre immerhin eine Möglichkeit. Nur das mit dem Alter der Mumie wird eine Weile dauern. Die Tests brauchen ein paar Tage. Andererseits – warte mal.«
Magda ging zu einem Instrumententisch hinüber und nahm eine kleine Pinzette und ein Skalpell heraus. Sie legte die beiden Instrumente beiseite, zog sich neue Einmalhandschuhe an und nahm vorsichtig eine Hand der Mumie auf. Es war eine sehr zierliche Hand mit langen Fingern und dunklen Fingernägeln.
»Wenn wir nur irgendetwas finden würden«, sagte Xenia nachdenklich, »womit wir jetzt gleich beweisen könnten, dass sie neueren Datums ist – ich … Was machst du da?«
»Mir ist da vorhin etwas aufgefallen.« Sie kratzte mit dem Skalpell vorsichtig an einem Fingernagel. »Sieh dir das an. Ich glaube, wir haben etwas gefunden, das beweist, dass du recht hast.«
Verständnislos betrachtete Xenia die schmale Hand. Sie sah nichts. Nur zarte Knochen, die von dunkler, ledriger Haut zusammengehalten wurden und in langen ovalen Fingernägeln ausliefen.
»Und? Ich sehe nichts Ungewöhnliches«, sagte sie.
»Die Fingernägel, Xenia. Sieh dir die Fingernägel an.« In Magdas Stimme schwang ein Hauch Triumph mit.
Xenia betrachtete die Fingernägel. Lang. Dunkel.
»Ich sehe es nicht – was auch immer es ist.« Sie schüttelte irritiert den Kopf. »Komm schon, sag’s mir.«
Magda zupfte mit der Pinzette etwas von der Oberfläche des Fingernagels. Xenia starrte verblüfft auf den kleinen Fetzen, den Magda nun hochhielt.
»Das gibt’s doch nicht …«
»Doch. Ihre Fingernägel sind lackiert. Und egal, was die alten Ägypter vor zwei-, dreitausend Jahren schon an zivilisatorischen Errungenschaften hatten, Nagellack gehörte sicher nicht dazu.«
»Entschuldigen Sie bitte, ich suche Frau Doktor Magdalena Axamitová.«
Magda drehte sich hinter dem Tresen um. Auf der anderen Seite der geschwungenen Bar lehnte lässig ein Mann und lächelte sie an. Ein ungewöhnlich attraktiver Mann von vielleicht Mitte dreißig mit kurzem, schokoladenbraunem Haar und einem sonnengebräunten Gesicht. Insgesamt genau der Typ von Mann, von dem sie vor ein paar Tagen in Paris behauptet hatte, er sei nicht ihr Typ. Sie lächelte.
»Wenn Sie Magdalena Axamit suchen – das bin ich.«
»Aha. Gut. Frau Dr. Axamit. – Was für eine angenehme Überraschung.« Sein Lächeln wurde noch charmanter. »Ich hatte schon befürchtet, einen weiblichen Doktor Frankenstein vorzufinden.«
»Nur bei Bedarf. Und Sie sind Kommissar Anděl, richtig?«, fragte Magda. Zorkas Beschreibung war sehr zutreffend gewesen. Sie hatte nicht übertrieben. Ein Bild von einem Mann.
»So ist es. David Anděl, Kommissar bei der Prager Mordparta . Und das hier«, er deutete auf einen weiteren Mann, der hinter ihm stand und den Magda noch gar nicht bemerkt hatte, »ist mein Partner …. Otakar Nebeský.«
Magda reichte ihnen die Hand über den Tresen. »Freut mich, Sie beide kennenzulernen.«
» Líbám ruku , Madame«, sagte Nebeský und beugte sich über ihre Hand. Magda lachte. Mit »Küss die Hand, Madame« war sie noch nie begrüßt worden. Nebeský grinste.
»Vielen Dank, dass Sie gekommen sind«, wandte sich Magda wieder an Anděl. »Ich habe ein etwas ungewöhnliches Problem, das ich mit Ihnen besprechen möchte. Aber setzen Sie sich doch bitte. Vielleicht dort drüben an den Tisch.« Sie deutete auf eine Nische am Fenster. »Möchten Sie etwas trinken?«
»Ein Glas Rotwein, bitte, und ein Wasser«, sagte Anděl.
»Ein Pilsner. Zwölfer, bitte«, sagte Nebeský.
Magda nickte, und die beiden Männer gingen zu dem kleinen Tisch hinüber. Sie schenkte die Getränke ein. Anděl und Nebeský. Das war also, wie sie inzwischen von ihrem Kollegen Jirka Kratochvíl erfahren hatte, das berühmt-berüchtigte Himmelfahrtskommando der Prager Mordparta . Ob sie wohl ihrer Namen wegen Partner geworden waren? Sie lächelte amüsiert, es war aber auch zu gut: Anděl und Nebeský – Engel und Himmlisch. Unwiderstehlich.
Nachdem Magda und Xenia am Vormittag die vorläufige Obduktion der Mumie abgeschlossen hatten, hatten sie überlegt, wie sie weiter vorgehen sollten. Den Ignoranten, wie Xenia den unfreundlichen Oberst Kohout, seines Zeichens Chef der Mordparta , nannte, wollten sie nicht noch einmal anrufen, aber einen Polizisten brauchten sie. Schließlich fiel Xenia der freundlichen Beamte ein, den Zorka erwähnt hatte und der
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