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Nasses Grab

Nasses Grab

Titel: Nasses Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Reich
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gekommen, dass Ihre Freundin recht hat und diese Mumie nicht antik sein kann. Wie kamen Sie so schnell zu diesem Schluss, wenn ich fragen darf?«
    »Sie hat lackierte Fingernägel.«
    »Lackierte Fingernägel, ja?«
    Magda nickte. Anděl ließ sie nicht aus den Augen. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Das musste ein Scherz sein. Fragte sich nur, wessen krankes Hirn sich so etwas ausdenken würde. Ihm fiel niemand ein. Wenn allerdings sein Chef, der Oberst, daran beteiligt war, war das hier nur die Spitze eines Eisbergs von Ärger. Der Oberst, bekannt für seine grundsätzliche Abneigung gegen Arbeit jeder Art, hatte durchaus schon das eine oder andere unter den sprichwörtlichen Teppich gekehrt, mal mehr, mal weniger erfolgreich. Aber das hier, so es wahr sein sollte, schlug dem Fass den Boden aus. An den möglichen Ärger mit dem Chef der Gerichtsmedizin gar nicht zu denken. Andererseits hatte die Mumie lackierte Fingernägel, ein hinreichender Grund, dachte Anděl amüsiert, sie dem Oberst um die Ohren zu hauen. Gott, würde der toben, wenn er feststellte, dass er bei so einer Sache, die er offenkundig vergeigt hatte, erwischt worden war. Aber egal. Das Ganze konnte einfach nicht wahr sein. So etwas passierte hier nicht. Vielleicht in New York oder in Timbuktu, aber nicht hier in Mitteleuropa, nicht in Prag.
    »Starren Sie mich nicht so an, Herr Kommissar«, sagte Magda genervt. »Ich habe mir die Geschichte nicht ausgedacht.«
    »Und was wollen Sie jetzt von mir, Frau Doktor?«, fragte Anděl.
    »Zunächst noch eine Zigarette, bitte«, sagte Magda lächelnd.
    Anděl schob ihr die Packung hin, sie nahm sich eine und zündete sie an. Dann winkte sie einer Kellnerin und bat um eine Weinschorle. »Möchten Sie beide auch noch etwas?«, fragte sie die beiden Beamten. David trank den Kaffee aus und bestellte noch einen Rotwein. Nebeský orderte einen Whisky. um diese Enthüllungen besser zu verdauen. Die Kellnerin nahm die leeren Gläser und Tassen mit. Als sie zum Tresen zurückging, bestellte eine junge Frau am Nebentisch eine Weißweinschorle. Anděl drehte sich nach ihr um. Sie war ihm vorhin gar nicht aufgefallen. Er hatte wohl nur Augen für diese attraktive Pathologin gehabt. Die Frau am Nebentisch hatte einen Laptop vor sich und schrieb scheinbar gedankenverloren vor sich hin. Wahrscheinlich eine Studentin, dachte er und wandte sich wieder seinen Gesprächspartnern zu.
    »Ich möchte«, sagte Magda, »dass Sie oder der zuständige Staatsanwalt das Gerichtsmedizinische Institut anweisen, sich die Mumie anzusehen, ganz einfach.«
    Ganz einfach, dachte Anděl. Von wegen. Nichts würde daran einfach werden. Das würden auf ihre unnachahmliche Art Oberst Ladislav Kohout und Václav ˇerný, der Chef der Gerichtsmedizin, schon zu verhindern wissen. Der Oberst hatte sich die Mumie vom Hals geschafft. Er wollte nichts damit zu tun haben. Im Grunde kein Wunder. Abgesehen davon, dass der Mann arbeitsscheu war, konnte man es keinem verdenken, dass er sich inmitten einer Umweltkatastrophe nicht auch noch mit einer augenscheinlich antiken Mumie abgeben wollte. Sie hatten in der Tat genug zu tun. Aber die bisher spärlichen Fakten der Pathologin sprachen trotzdem gegen das Wörtchen »antik«. Ob das Vorhandensein von Nagellack allerdings den Oberst von seiner Meinung abbringen würde, war mehr als unwahrscheinlich. Schließlich – Anděl konnte sich die Argumentation seines Chefs bestens vorstellen – konnte im Verlauf der vergangenen zwei- oder dreitausend Jahre irgendein Witzbold die Fingernägel angemalt haben. Als Zeitvertreib oder um das Ding etwas zu verschönern. Ja, so würde Kohout vermutlich argumentieren. Er würde sich nicht überzeugen lassen. Nur zwingen. Und dazu saß Anděl nicht weit genug oben – jedenfalls was die Hierarchie betraf. Zwingen konnte den Oberst nur der Staatsanwalt. Doch Staatsanwalt Otčenášek, sein zweiter Chef, war für ein paar Tage zu seiner Tochter aufs Land gefahren, er würde vor Montag nicht zu erreichen sein. Nun konnte Anděl ihn natürlich anrufen und alles Nötige auf den Weg bringen. Aber davor schreckte er zurück. Schön, eine Leiche war gefunden worden, aber es war eine Mumie, was den Schluss nahelegte, dass sie schon ein paar Jährchen irgendwo herumgelegen hatte, ohne dass es jemandem aufgefallen war. Es war also kein Notfall.
    »So, ich soll Ihnen also rückwirkend eine Anweisung zur Obduktion beschaffen«, sagte er. »Aber warum? Auch wenn die Mumie nicht antik

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