Nasses Grab
angeblich öfter mal in ihrem Lokal vorbeikam, um ein Glas Wein zu trinken. Nach Dienstschluss war Magda also ins Ráj gefahren und hatte mit Zorka gesprochen. Zu ihrer Überraschung hatte Zorka eine Visitenkarte von diesem Polizisten hervorgeholt und sie Magda überreicht.
»Er wird Ihnen gefallen, Magda«, hatte sie gesagt, »so ein gut aussehender Mann. Und intelligent. Sehr sympathisch.« Und mit einem Augenzwinkern hatte sie noch hinzugefügt: »Genau das Richtige für Sie.«
Lachend hatte sich Magda den Telefonhörer gegriffen. Wenn Zorka wüsste, was ich von ihm will! Nun, sie hatte an Männern als Männer kein Interesse, ihr Leben war anstrengend genug – alleinerziehend mit zwei Teenagern, einem Restaurant und einem neuen Job. Aber es konnte nicht schaden, wenn dieser Anděl tatsächlich ein freundlicher Mensch sein sollte. Sie hatte also seine Nummer im Präsidium gewählt. Und nun war er also hier, keine Stunde nachdem sie angerufen hatte. Auf ins Gefecht, dachte sie, und trug die Getränke zu dem kleinen Tisch, an dem es sich die beiden Beamten bereits bequem gemacht hatten.
Erstaunlich eigentlich, dachte Magda, während sie die Getränke auf den Tisch stellte und sich setzte, dass ausgerechnet dieser Nebeský laut Zorka den Ruf hatte, ein unbelehrbarer Frauenheld zu sein. Dabei war Anděl der deutlich Attraktivere der beiden. Allein dieses charmante Lächeln. Und tadellos gekleidet. Trotz der Affenhitze in der Stadt war sein heller Leinenanzug fast ohne Knitterfalten, das hellblaue Hemd sah aus, als habe er es eben erst angezogen. Er wirkte frisch und gepflegt. Nebeský hingegen sah aus, als habe er in seinen Klamotten geschlafen. Unter dem zerknitterten gelben Baumwolljackett trug er ein sumpffarbenes T-Shirt, das auf der Brust ein großer Fettfleck zierte. Die Jeans war abgewetzt und hing ihm gerade noch auf den schmalen Hüften. Dünne Schweißbächlein liefen ihm die Schläfen hinunter. In regelmäßigen Abständen zog er sein Taschentuch aus der Hosentasche und wischte sich die hohe Stirn.
Die Essensgäste waren weitergezogen, und die meisten Tische im Lokal waren ebenso leer wie diejenigen vor dem Lokal auf dem breiten Bürgersteig. Die beiden Männer bedankten sich für die Getränke.
Nebeský trank einen großen Schluck von seinem Pilsner, dann nahm er geistesabwesend einen Bierdeckel in die Hand und begann ihn zu zerpflücken. Anděl sah Magda erwartungsvoll aus kornblumenblauen Augen an. Ein hübscher Kontrast zu seinem dunklen Haar und dem leicht gebräunten Gesicht. Das keltische Erbe, wie Xenia ihr einmal erklärt hatte.
»Ich wusste gar nicht, dass das hier ein Selbstbedienungsladen ist«, sagte Anděl.
»Ist es auch nicht. Der Laden gehört mir und einer Freundin.«
»Interessant. Eine forensische Pathologin, die ein Restaurant betreibt.«
»Ja, ich schnipsle eben für mein Leben gern«, erwiderte Magda.
»Sieht ganz so aus«, sagte Anděl lachend.
Nebeský schüttelte amüsiert den Kopf.
»Was kann ich für Sie tun, Frau Doktor?«, fragte Anděl wieder ernst, nachdem er einen Schluck Wein getrunken hatte. Er zog ein Päckchen Zigaretten aus der Jackentasche und bot ihr eine an.
Magda nahm die Zigarette dankend an. Sie war nervöser, als sie wahrhaben wollte. Dann nippte sie an ihrem Weinglas und stellte es bedächtig auf eine kleine Serviette. Anděl gab erst ihr Feuer, dann seinem Partner, und schließlich zündete er seine eigene Zigarette an.
Magda blies den Rauch zur Decke und wandte sich an den Kommissar: »Ich fürchte, ich habe ein bisschen Ärger für Sie«, begann sie. »Es handelt sich um eine Mumie, die gestern oder vorgestern von der Polizei im Archäologischen Institut abgegeben wurde. Vielleicht wissen Sie davon?«
Anděl schüttelte den Kopf. »Eine Mumie?« Er zog zweifelnd eine Augenbraue hoch.
»Eine Mumie. Meine Freundin, Frau Dr. Xenia Bondy, ist Professorin am Institut, und ihr Hiwi …«
»Hiwi?«, fragte Nebeský irritiert.
»Entschuldigen Sie, das ist eine Verballhornung von Hilfswissenschaftler – eine wissenschaftliche Hilfskraft. Ein Student, der am Institut arbeitet.«
Nebeský nickte.
»Also«, fuhr Magda fort, »ihr Hiwi hat gestern oder vorgestern – so genau wusste er das nicht mehr – ein Paket von der Polizei entgegengenommen und es ihr heute, als Xenia zur Arbeit kam, vor die Tür gestellt.« Kurz und präzise berichtete Magda den beiden Polizeibeamten von den bemerkenswerten Ereignissen des Tages. »Wir sind schließlich zu der
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