Nasses Grab
erzählte, was Anděls Mutter ihm gesagt hatte.
»Wow«, sagte Larissa schließlich. »Wie klein die Welt ist!«
»Kann man so sagen«, warf Xenia ein. »Wer war der Mann, der auf Jay geschossen hat?«, fragte Larissa.
»Ich weiß es nicht, aber ich bin sicher, Anděl wird froh über deine Aussage sein. Vermutlich bügelt das deine Panne mit Hora wieder aus«, erwiderte Magda lächelnd, »dafür gibt es eine Belobigung statt einer Standpauke.«
»Wer war die Frau, die du auf dem Flur gesehen hast, Larissa? Die aus Jays Wohnung kam?«, fragte Xenia.
»Keine Ahnung – wir hatten keine Zeit, uns vorzustellen. Hast du sie nicht gesehen, Magda?«
»Nein. Als ich kam, habe ich bei Jay geklingelt, und jemand hat mir aufgemacht – aber das warst nicht du, und Jay sicher auch nicht. Ich habe im zweiten Stock einen Mann an einer Tür gesehen – allerdings nur von hinten. Und als ich fast oben war, hörte ich über mir eine Tür ins Schloss fallen. – Hattest du deine Tür zugemacht, als du zu Jay hinübergelaufen bist?«
Larissa schüttelte den Kopf.
»Nein. Meinst du, diese Frau ist in meine Wohnung …«
»Möglich. Ich wüsste nicht, wo sie sonst abgeblieben sein sollte«, sagte Magda nachdenklich.
»Hoffentlich findet Anděl die Kousalová bald«, sagte Xenia.
Markéta Kousalová saß zusammengesunken auf einem Stuhl vor Anděls Schreibtisch im Präsidium. Sie war blass und hatte dunkle Ringe unter den Augen. Ihre langen, schmalen Finger umschlossen ein Glas Wasser, ihre Augen hielt sie auf den grauen Linoleumfußboden gerichtet. Seit Anděl und Nebeský sie vor einer Stunde in einer Ecke von Larissas Wohnzimmer gefunden hatten, hatte sie noch kein Wort gesprochen. Sie hatte dort auf dem Boden gekauert wie ein Häufchen Elend. Tränen waren ihr über die bleichen Wangen geflossen. Sie hatte sich anstandslos mitnehmen lassen.
In Anděls Büro hatte sie lediglich genickt, als er sie gefragt hatte, ob sie etwas trinken wolle. Er hatte Cajtík nach Kaffee und Wasser geschickt. Markéta hatte das Wasserglas genommen und den Kaffee bisher unberührt stehen lassen. An dem Wasser hatte sie nur ein paarmal genippt. Nebeský saß rechts von Markéta. Auf den übereinandergeschlagenen Beinen hielt er sein offenes Notizbuch und spielte mit einem Kugelschreiber. Anděl stand am Fenster und sah hinaus auf die Straße. Schließlich drehte er sich um und sah Markéta Kousalová an.
»Es ist an der Zeit, dass Sie uns die Wahrheit sagen, Frau Kousalová.«
Sie rührte sich nicht.
»Warum sind Sie zu Krasnohorský gegangen?«
Keine Reaktion.
»Haben Sie auf ihn geschossen?«
Sie schüttelte kaum merklich den Kopf.
»Sie hatten eine Pistole in der Hand, Frau Kousalová, als wir Sie in der Wohnung von Frau Khek fanden. Also, haben Sie auf Honza geschossen?«
Tränen liefen über ihre Wangen, sie wischte sie mit zitternder Hand ab.
Anděl ging zu seinem Schreibtisch und setzte sich. Er faltete die Hände auf dem Tisch. Sie tat ihm leid, wie sie da saß, ein ängstliches Bündel Mensch, das nicht mehr ein noch aus wusste. Aber es half nichts, sie mussten sie dazu bringen zu reden.
»Wir wissen, dass Sie auf Krasnohorský geschossen haben, Frau Kousalová. Die Spurensicherung hat die Kugel gefunden. Aus Ihrer Waffe wurde geschossen. Mindestens eine der Kugeln, die wir gefunden haben, wird zu Ihrer Waffe passen. Also, was wollten Sie von ihm? Warum haben Sie auf ihn geschossen?«
Nichts.
»Wenn Sie nicht mit mir reden, sind Sie dran wegen dreifachen Mordes und Mordversuchs, Frau Kousalová.«
Ihr Kopf schnellte hoch. Nun hatte er ihre volle Aufmerksamkeit. Sie starrte ihn aus panikgeweiteten Augen an.
Er nickte. »Drei Morde, Frau Kousalová, und nicht zu vergessen Honza Krasnohorský, den Sie auch fast umgebracht hätten. Warum?«
»Drei?«, hauchte sie.
»Drei.« Er zählte sie an den Fingern ab. »Lenka Svobodová. Dana Volná, alias Alena Freeman. Milan Hora.«
»Das war ich nicht!«, rief sie aus. Das Glas glitt aus ihren Händen und fiel zu Boden. Das Wasser ergoss sich über ihren Rock und den Fußboden. Sie sprang erschrocken auf und presste die Hände auf ihren Mund.
Nebeský stand auf, ging zur Tür und rief nach Antonín Cajthaml, er solle einen Lappen holen. Dann nahm er wieder Platz.
»Setzen Sie sich, Frau Kousalová.« Anděls Ton wurde schärfer. »Und reden Sie endlich!«
Markéta setzte sich und strich sich mit zitternden Händen den Rock glatt. »Mein Rock ist nass«, sagte sie und
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