Nasses Grab
dort ist?«
»Keine Ahnung. Aber hier ist sie auch nicht.«
»Und der Oberst?«, fragte Nebeský.
»Ich rufe das Väterchen an, vielleicht weiß er schon etwas«, antwortete Anděl, während er die Nummer des Staatsanwalts wählte. Der meldete sich nach dem ersten Klingeln.
»Haben Sie schon etwas über den Oberst in Erfahrung bringen können?«, fragte Anděl.
»Nicht viel, David. Er ist seit 1984 im Ruhestand – offiziell. War beim Geheimdienst, aber das wissen Sie ja bereits. Ist Witwer, seine Frau ist vor bald vierzig Jahren gestorben. Ein Sohn. Dr. Václav ˇerný. Aber das wissen Sie auch schon.«
»Hatte er Verbindungen zu Dana Volná oder Lenka Svobodová?«
»Er kannte sicher Dana über seinen Sohn. Venca wollte Dana damals heiraten, und der Oberst war nicht glücklich darüber, aber es ist ja nichts daraus geworden. Ob er Lenka Svobodová kannte, weiß ich nicht, das müssen Sie ihn selbst fragen.«
»Und Honza Krasnohorský?«
»Der Oberst war sein Führungsoffizier, sozusagen. Krasnohorský hat für ihn gearbeitet. Durfte dafür durch die Welt reisen, aber als er sich um eine Arztstelle auf Malta beworben hat, hat der Oberst ein dickes rotes Njet draufgesetzt. Offenbar wollte er nicht, dass Krasnohorský das Land verlässt. Warum, weiß ich allerdings nicht. Der Oberst hat die Stelle seinem Sohn zugeschanzt. Er musste dafür all seine Beziehungen spielen lassen, nehme ich an. Venca war damals noch nicht verheiratet. Vierundachtzig hat sich Venca nach Amerika abgesetzt – und der Oberst wurde in den Ruhestand komplimentiert. Hat ihn seinen Job gekostet, der Junge. Andererseits war der Oberst damals schon vierundsechzig, wäre ohnehin ein Jahr darauf in Rente gegangen.«
»Von wem wissen Sie das?«
»Von Venca – ich kenne ihn doch seit Jahren gut. Er hat es mir erzählt, als ich ihn vorhin aufgesucht habe. Leichtgefallen ist es ihm nicht. Und dann kenne ich bei dem Verein noch ein paar Leute. Nicht zu vergessen, hat auch Oberst Kohout sein Scherflein beigetragen – nicht ganz freiwillig, aber immerhin.«
»Kohout?«, fragte Anděl verblüfft.
»Ja, Kohout. Sie werden es nicht glauben, aber er hat in den späten Siebziger- und frühen Achtzigerjahren für den Oberst gearbeitet. Eine Jugendsünde, wie er mir versicherte.« Der Staatsanwalt lachte ironisch.
Eine Sünde in der Tat, dachte Anděl, mit Jugend hatte es allerdings wenig zu tun, wie er überzeugt war. Kohout war bis heute eingefleischter Kommunist. Eine buchstäblich linke Ratte.
»Oberst ˇerný war bei Krasnohorský, Herr Doktor, und er war bei Hora. Er steckt da weit tiefer drin, als er zugeben will. Ich brauche seine Adresse, wir müssen noch einmal mit ihm reden. Haben Sie sie?«
»Einen Moment – ja, ich habe sie.« Der Staatsanwalt nannte eine Adresse in Smíchov, einem Stadtviertel südlich der Kleinseite. »Glauben Sie, dass er Hora umgebracht hat, David? Und versucht hat, Krasnohorský zu erschießen?«
»Es wäre möglich. Aber mir fehlt das Motiv. Warum sollte er Hora getötet haben? Hora hat nur Krasnohorský angeschwärzt, nicht Venca. Und Krasnohorský? Soweit wir wissen, hatte er keinen Anlass, ihn umzubringen. Er hat ihm damals geholfen, das Land zu verlassen … Warum sollte er ihn also nach fünfundzwanzig Jahren umbringen wollen? Krasnohorský kann seinen Sohn nicht reinreiten – Venca hat schon zugegeben, mit Dana gestritten und sie gestoßen zu haben. Das läuft höchstens auf Körperverletzung und unterlassene Hilfeleistung hinaus, und das ist längst verjährt.«
»Ich glaube es zwar nicht, aber Venca könnte lügen. Vielleicht hat er die Frau umgebracht, und Krasnohorský weiß es.« Die Stimme des Staatsanwalts klang matt.
Anděl wusste, wie schwer es ihm fallen musste, so einen Verdacht zu äußern. Der Chef der Gerichtsmedizin war ein guter Freund des Staatsanwalts.
»Und dann schickt er seinen Vater vor, um die Kastanien aus dem Feuer zu holen?«
»Vielleicht war es die Idee des Obersts. Er könnte seinen Sohn schützen wollen. Der Oberst ist ein alter Mann, sein Sohn hat einen hohen Posten und gesellschaftliches Ansehen zu verlieren.«
»Sie sind gut als des Teufels Advokat, Herr Doktor.«
Der Staatsanwalt lachte müde. »Ich gebe mir Mühe, nicht parteiisch zu sein, David. Aber ich glaube kein Wort von dem, was ich sage. Und ich hoffe aufrichtig, es trifft nicht zu.«
»Wir brauchen ein Motiv, Herr Doktor.«
»Ich werde sehen, was ich noch aus den Leuten herausquetschen kann. Bis
Weitere Kostenlose Bücher