Nasses Grab
tun. Es ist ja kein frischer Fall, nicht wahr?«
»Nein, frisch ist an diesem Fall gar nichts«, stimmte Magda zu. »Aber können wir nicht irgendetwas tun?«
»Das kommt ganz darauf an, wie viel Ärger Sie riskieren wollen. Sie können ja alle notwendigen Tests veranlassen und die Obduktion zu Ende führen. Ihr Chef ist nicht da, nicht wahr?«
Magda nickte. »Er ist im Urlaub. Ich glaube, er kommt nächste Woche zurück. – Na schön, ich tue einfach so, als wäre das eine ganz gewöhnliche Obduktion mit allem Drum und Dran. Die Tests sollten uns zumindest verraten, wie alt die Leiche genau ist. Dann sollte sich auch der Ärger in Grenzen halten. Die lackierten Fingernägel sind ein erster Anhaltspunkt.« Sie lächelte. »Und was werden Sie tun?«
»Ich? Ich werde mit Nebeský ein paar Akten wälzen. Vielleicht findet sich ja irgendwo eine Vermisstenanzeige. Dafür brauche ich aber noch mehr Informationen über die Mumie – Alter, Größe, Haarfarbe, Augenfarbe, besondere Kennzeichen -, na, Sie wissen schon. Mehr kann ich im Moment nicht für Sie tun.«
»Ich danke Ihnen, Herr Kommissar«, sagte Magda. »Sobald ich diese Fragen beantworten kann, melde ich mich.« Sie schenkte ihm ihr charmantestes Lächeln.
Die junge Frau am Nebentisch zahlte und brach auf.
Nachdem Larissa Khek das Ráj verlassen hatte, wandte sie sich beschwingt nach rechts in die Americká-Straße. Sie würde zu Fuß nach Hause gehen, ein Spaziergang an einem so herrlichen Abend tat gut. Vielleicht sollte sie Robin anrufen, sie könnten noch ein Glas im Hühnchen in der Uhr, einem Lokal im Erdgeschoss ihres Wohnhauses in Žižkov, trinken. Sie sah auf ihre Uhr. Halb elf. Noch nicht zu spät. Sie nahm ihre schwarze Sonnenbrille aus dem Haar und steckte sie in ihre Handtasche. Wie gut, dass sie ausgerechnet heute Abend ins Ráj gegangen war. Sie dachte darüber nach, was sie eben gehört hatte. Das würde eine gute Geschichte geben. Who is the Metro-Mummy?
Nach ihrem Gespräch mit Robin hatte sie herumtelefoniert und erfahren, dass die Mumie ins Archäologische Institut gebracht worden war. Ein Segen, dass es indiskrete Sekretärinnen gab! Interessant war allerdings, dass Oberst Kohout es offensichtlich versäumt hatte, seine Mitarbeiter von der Existenz der Mumie zu unterrichten. Schöne Zustände waren das. Ein Polizeioberst, der keine Lust hatte, seine Arbeit zu machen, die Feuerwehr, die dabei Hilfestellung leistete, und eine Wirtin, die Gerichtsmedizinerin war – und nicht nur das.
Larissa kannte Dr. Magdalena Axamit vom Sehen. Sie hatte sie zuletzt vor ein paar Wochen zufällig in der Redaktion der Prague Post gesehen, als Dr. Axamit im Flur vor dem Schwarzen Brett mit dem Chefredakteur über ein neues Restaurant auf der Kleinseite gefachsimpelt hatte. Als Magda gegangen war, hatte Larissa ihn nach der schönen, in ein schlichtes, aber schickes Sommerkleid gekleideten Frau gefragt.
»Magdalena Axamit, die Besitzerin des Ráj. Von diesem Juwel von einem Restaurant habe ich dir doch neulich erzählt. Aber hauptberuflich ist sie forensische Pathologin und wird bald am Gerichtsmedizinischen Institut anfangen. Das allerdings bedeutet, dass wir nun dringend einen neuen Restaurantkritiker brauchen.«
»Wieso das?«
»Nun, sie war unser allseits geschätzter Chat Aubriand, der Autor unserer hoch angesehenen Restaurantkritiken. Aber das ist jetzt leider Geschichte«, hatte der Chef resigniert erwidert und war mit einer Plastiktüte voller Papier in sein Büro geschlurft. Zweifellos, um die Papierberge, die seinen Schreibtisch und alle anderen horizontalen Flächen bedeckten, aufzustocken. Es war Larissa ein Rätsel, wie er überhaupt noch den Weg hinter seinen Schreibtisch fand, so viele Papiere, Bücher, Zeitungen und Zeitschriften stapelten sich auf dem Boden. Aber die Enthüllung des Chefs hatte sie überrascht. Sie hatte angenommen, Chat Aubriand sei der Chef selbst. Wie man sich täuschen konnte.
Vor dem neuen italienischen Delikatessenladen in der Americká-Straße blieb Larissa stehen. Sie betrachtete die Auslage: Parmaschinken, verschiedene Sorten italienischer Salami, Pasta und eine Auswahl Soßen. Ihr Magen knurrte. Sie hatte den ganzen Tag nichts gegessen. Warum hatte sie sich im Ráj nichts bestellt? Einer der wunderbaren Salate, für die das Lokal unter anderem bekannt war, wäre gerade recht gewesen.
Das Ráj. Magdalena Axamit hatte sie nicht erkannt, wahrscheinlich nicht einmal wahrgenommen. Larissa hatte unschuldig
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