Nasses Grab
Jahren ermordet wurde, und dann schlagen die den Aktendeckel gleich wieder zu, weil die Sache verjährt ist. Und was den schnuckeligen Polizisten angeht – so wie er dich vorhin angesehen hat, würde er dir sogar verzeihen, wenn du der Mörder wärst. Vielleicht meldet sich ja irgendjemand, der etwas über die Sache weiß. Komm schon, Magda, dir liegt doch auch daran, der armen Frau einen Namen zu geben.«
Magda sah ihre Freundin zweifelnd an. Xenia hatte schon recht, wenn diese Geschichte in der Zeitung erschien, würde es die Polizei zwingen, sich damit zu befassen. Ihre Sorge galt eher der Tatsache, dass sie David Anděl um Hilfe gebeten hatte. Was würde er dazu sagen, wenn die Mumie übermorgen von der Titelseite der Post lächeln würde? Verdammt und zugenäht. Anděl hatte gesagt, er wolle abwarten, bis der Staatsanwalt aus dem Urlaub zurückgekommen wäre. Und ihren eigenen Namen wollte Magda, nach gerade mal einem Tag in ihrem neuen Job, ebenso wenig in der Zeitung sehen wie Larissas andere Quelle. Den Oberst durfte man auch nicht vergessen. Der war, nach allem, was sie gehört hatte, eine wandelnde Zeitbombe.
Andererseits konnte sie Larissa verstehen. Das Ganze war eine einmalige Gelegenheit für eine junge Journalistin, auf die Titelseite zu kommen. Noch dazu mit einer Geschichte, die offenbar noch keine andere Zeitung hatte. Jedenfalls hatte sie in der heutigen Ausgabe der MFDnes nichts Derartiges gesehen. Was machte es schon, wenn Prags englischsprachige Wochenzeitung mal einen solchen Knüller hatte? Wer las schon die Prague Post – außer Touristen, die auf der Suche nach kulturellen Veranstaltungen und kulinarischen Genüssen waren und dabei den Nachrichtenteil in der Regel überblätterten, weil sie sich sowieso nicht für die Interna der tschechischen Politik interessierten. Und die Einheimischen benutzten die Post bestenfalls als Englischlehrbuch, die neuesten Nachrichten lasen sie täglich in der tschechischen Presse. Wirklich aktuell war die Post in der Regel nicht, auch wenn Steve Persson, der Nachrichtenredakteur, sich alle Mühe gab.
Und schließlich war diese Geschichte – abgesehen von allen anderen Erwägungen – in der Tat heiß. Eine Mumie in der Metro – und die tschechische Tagespresse hatte davon anscheinend keine Ahnung. Die junge Reporterin musste über sehr gute Quellen verfügen. Sie versuchte sich vorzustellen, was los sein würde, wenn diese Geschichte in ein paar Tagen auf der Titelseite der Post auftauchte. Sei’s drum. Außerdem würde der Bericht ja vielleicht helfen, die Identität der toten Frau zu lüften. Immerhin wussten sie noch gar nicht, wie lange die Mumie in der Metro gelegen hatte – wenn sie denn tatsächlich dort gefunden worden war, wofür allerdings einiges sprach.
»Sagen Sie, woher wissen Sie eigentlich, dass die Mumie aus der Metro ist? Wir haben hier nur eine vage Vermutung geäußert«, fragte Magda. »Dass es tatsächlich so ist, kann ich Ihnen nämlich nicht bestätigen«, fügte sie hinzu.
»Ich habe eine gute Quelle«, sagte Larissa lächelnd, »ich weiß, dass man sie in der Metro gefunden hat. Sie hatten mit Ihrer Vermutung also recht, Frau Doktor.«
»Hm. Interessant. Und wo genau hat man sie gefunden?«
Larissa zögerte. Wenn sie den genauen Fundort verriet, wäre auch klar, wo ihre Quelle saß. Sie wollte Robin nicht hinhängen. Aber es wäre eine Gegenleistung für Magdas Vertrauen.
»Am Můstek Aber ich möchte Sie bitten, das für sich zu behalten. Meine Quelle liebt ihren Arbeitsplatz. Okay?«
»Schön. Kommissar Anděl wird selbst früh genug erfahren, woher die Mumie kommt. Also, mich dürfen Sie zitieren, aber was die Äußerungen der beiden Polizeibeamten angeht, da müssen Sie die beiden selbst fragen«, sagte Magda schließlich. »Und noch eines: Die Sache mit der Verjährungsfrist will ich auf keinen Fall in der Zeitung sehen.«
»Du bist ein Schatz, Magda«, sagte Xenia und wandte sich an Larissa: »Wenn Sie von mir etwas wissen wollen – ich stehe gerne zur Verfügung.«
»Ich sage Ihnen, was ich mir notiert habe«, sagte Larissa zufrieden, nahm ihren Laptop aus der Umhängetasche und schaltete ihn ein.
Magda und Xenia schoben ihre Stühle zu Larissa, um auf den Bildschirm zu sehen. Am Nebentisch machte sich die Kellnerin Zorka zu schaffen. Während Larissa das Textverarbeitungsprogramm hochfuhr und begann, zusammen mit Magda und Xenia die Notizen durchzugehen, wischte Zorka den Nebentisch, rückte die Stühle
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