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Nasses Grab

Nasses Grab

Titel: Nasses Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Reich
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was sie inzwischen über die Metro erfahren hatte.
    »Ein Atombunker, hm, das stimmt. Nur kann ich dir da leider nicht weiterhelfen, darüber weiß ich auch nicht mehr als du inzwischen. Aber hast du nicht mal gesagt, dein Cousin arbeite in der Präsidentenkanzlei? Die wissen doch sonst alles.«
    Dass sie daran nicht selbst gedacht hatte. Natürlich, Radek, ihr Cousin, arbeitete seit Jahren in Präsident Havels Kanzlei. Als Spross einer alteingesessenen Prager Familie kannte er in der Stadt Hinz und Kunz und wusste durch seine Arbeit über allerlei kleine und größere Geheimnisse Bescheid. Sie wählte seine Nummer und wartete ungeduldig, dass er abheben würde.
    »Tichý. Kanzlei des Präsidenten.«
    » Ahoj , Radek. Ich bin’s, Larissa. Hast du einen Moment Zeit?«
    »Klar, für dich immer. Wie geht’s meiner schönen Cousine? Was macht das Nachrichtenwesen dieser Tage?« Radek lachte ins Telefon. Er hatte keine sehr hohe Meinung von Journalisten im Allgemeinen und den tschechischen im Besonderen, machte aber bei seiner Cousine eine gnädige Ausnahme.
    »Alles bestens, danke, wir mühen uns redlich, den Behörden kompromittierende Informationen zu entlocken. Glücklicherweise sind nicht alle so diskret wie du«, erwiderte sie lachend. Sie wusste von vielen Kollegen, die regelmäßig darüber verzweifelten, wenn sie versuchten, dem Pressesprecher des Präsidenten Informationen zu entlocken. Er gab sich in der Regel als veritable Auster.
    Sie erzählte ihm von ihren Nachforschungen über die Mumie und die Särge. »Und nun sagt mir der zweite Mann von der Metrosicherheit, dass die Metro als Atombunker konzipiert worden sei. Weißt du etwas davon? Er tat so, als sei das ein Staatsgeheimnis.«
    »Ist es auch«, sagte Radek.
    Sie konnte sein breites Grinsen förmlich sehen.
    »Aber«, fuhr er fort, »ein recht offenes Staatsgeheimnis. Und was die Särge angeht, na, wenn man einen Bunker baut, in dem Tausende Leute für ein paar Tage oder sogar Wochen eingeschlossen werden sollen, dann ist damit zu rechnen, dass der eine oder andere zwischenzeitlich den Löffel abgibt, nicht wahr? Und dann muss man die Leiche irgendwo lagern. Also hat man auch an eine Leichenhalle oder, sagen wir besser, an Lagerräume für Särge, gedacht. Es hat sogar irgendwo ein komplett eingerichtetes Krankenhaus gegeben – für den Fall der Fälle. Aber das ist wohl mit all dem anderen Zeug abgesoffen.« Er lachte wieder.
    Die ganze Geschichte schien ihm ungeheuren Spaß zu machen. Allerdings wusste Larissa, dass Radek Tichý nur sehr wenige Dinge wirklich ernst nahm. Eigentlich nichts außer seinem Tai-Chi-Training und seiner Gitarre. Und in Grenzen seine Familie. Larissa freute sich immer über seine Einladungen zu kleinen Konzerten, auf denen er mit seiner Gitarre auf einem Barhocker saß und seine selbst gedichteten melancholischen Balladen dem kleinen, aber begeisterten Publikum vortrug.
    »Ein Krankenhaus in der Metro? Das wird ja immer fantastischer! Du nimmst mich auf den Arm, oder?«
    »Ganz und gar nicht. Ich weiß nicht genau, wo es war, aber wenn, wie du sagst, der Lagerraum für die Särge am Můstek war, wird das Krankenhaus wohl auch irgendwo dort gewesen sein. Lange Wege wären da nicht sinnvoll, nicht? Aber ich glaube kaum, dass dir das irgendjemand offiziell bestätigen wird oder dich gar zum Fototermin einlädt. Mich brauchst du jedenfalls nicht zu zitieren, Larinka.«
    »Wenn du mich noch mal so nennst, werde ich schreiben, du seiest der Mörder!«, sagte Larissa fröhlich. »Aber keine Sorge. Hast du nicht jemanden an der Hand, der mehr über die Bunker in dieser Stadt weiß – und nicht so fanatisch hinter den Kulissen zu bleiben gedenkt wie du?«
    »Doch, der Chef der Bunkerverwaltung. Und er spricht sogar darüber. Die vermieten die Bunker nämlich. Ich gebe dir seine Nummer, aber du musst ihm nicht auf die Nase binden, woher du sie hast, okay?«
    Elende Geheimniskrämer, dachte Larissa. Aber ich kriege euch.
     
    »Sehen Sie sich das mal an, Jirka«, sagte Magda zu ihrem Kollegen Dr. Kratochvíl und deutete auf einen kleinen weißen Fleck auf dem Röntgenbild, das sie an der Leuchtwand betrachtete. Es zeigte Kopf und Hals der Mumie. Magda hatte sich die Leiche gleich am Morgen noch einmal angesehen und bereits allerlei Proben genommen, um sie ins histologische und toxikologische Labor zu schicken, als ihr Kollege hereingekommen war. Erstaunt hatte er sich umgesehen und gefragt, an wem sie denn da herumschnipsele.

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