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Nasses Grab

Nasses Grab

Titel: Nasses Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Reich
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Nachdem sie ihm kurz von der Mumie berichtet hatte, war Jirka geblieben und hatte seine Hilfe angeboten. So etwas könne man sich schließlich nicht entgehen lassen, hatte er vergnügt gesagt. Jetzt kam Jirka zu ihr an die Leuchtwand und betrachtete den weißen Fleck im Hals der Mumie.
    »Hm. Was ist das? Soweit ich mit der menschlichen Anatomie vertraut bin, gehört da kein solcher Knochen hin. So es denn ein Knochen ist.« Er blickte die Leiche über seine Schulter hinweg an. »Lassen Sie uns mal nachsehen.«
    Vorsichtig entfernten sie das verbliebene Gewebe am Hals und arbeiteten sich zur Luftröhre vor. Ein paar Minuten später hielt Magda einen kleinen, teilweise in etwas ledernes Gewebe eingebetteten Knochen in der Hand.
    »In der Tat«, sagte sie, »ein Knochen, der da nicht hingehört.«
    »Das ist doch …«
    »Genau. Unglaublich, nicht wahr?«
     
    Das Büro des Chefs der Bunkerverwaltung, im zweiten Stock eines hässlichen Plattenbaus , war ganz in Brauntönen gehalten. Eine abgewetzte braune Sitzecke, ein hässlicher Beistelltisch mit einer braun getönten Glasplatte, ein alter hellbrauner Schreibtisch, ein braun-beige gesprenkelter Teppich.
    Der glatzköpfige kleine Mann hinter dem Schreibtisch hatte sich seiner Umgebung hervorragend angepasst: Über dem großen Bauch spannte ein beiges Hemd, der braune Anzug hatte schon bessere Zeiten gesehen, und die ebenfalls braune Strickkrawatte hing formlos von seinem dicken Hals hinunter. Das alles vermittelte einen eigentümlich farblosen und verstaubten Eindruck. Passend für jemanden, der Bunker verwaltet, dachte Larissa.
    Sie hatte Boř ivoj Myška am Vormittag, nachdem sie mit ihrem Cousin gesprochen hatte, angerufen und um einen Termin gebeten. Er habe gegen Mittag für sie Zeit, hatte er gesagt, und nun saß sie vor ihm und versuchte, so viel wie möglich über die Bunker in Prag zu erfahren. Larissa hatte ihm gesagt, sie schreibe über ungewöhnliche Gebäude in der Stadt, und dazu gehörten mit Sicherheit Bunker, nicht wahr? Myška hatte verständnisvoll genickt und seine wulstigen Lippen geleckt. Die Särge, die Mumie und ihr Interesse daran hatte sie für sich behalten.
    Es gebe mehrere Dutzend Bunker im Stadtgebiet, hatte Myška ihr erzählt. Inzwischen würden sie eigentlich nicht mehr gebraucht, da könne man auch darüber sprechen. Man wolle sie nicht abreißen, immerhin könne sich die Situation ja ändern, nicht wahr, mit dem Terrorismus und so, aber die Wartung koste doch einiges, und so habe die Stadt sich entschlossen, manche Bunker zu vermieten. Die Mieter müssten nur für die Einhaltung der Standards sorgen, aber das sei recht einfach, es gebe da genaue Vorgaben.
    Auf Larissas Nachfrage, wozu sich Leute denn Bunker mieteten, zählte Myška ein Theater, ein Kino und einen bekannten Musikklub auf. Andere Bunker, fuhr Myška fort, habe man von vornherein so konzipiert, dass sie normalerweise als Kinos oder Theater funktionierten, oder als Parkhaus, das käme darauf an, wann sie gebaut worden seien und wo. Die Leute würden davon gar nichts merken.
    Wie es denn mit der Altstadt sei, fragte Larissa, wo da denn Bunker seien?
    » Nó , Frau Redakteurin, das ist ein Spezialfall«, sagte Myška bedächtig und leckte wieder seine Lippen.
    Er sieht aus wie eine hungrige Kröte, dachte Larissa angewidert.
    »Unter der Altstadt«, fuhr der Ingenieur fort, »konnte man natürlich keine Bunker für so viele Menschen bauen, das hätte die Statik der alten Häuser nicht mitgemacht. Der Untergrund ist sandig, wissen Sie, und die Häuser sind sehr alt, da kann man nicht einfach drunter herumbuddeln. Also wurde die Metro, die man unter der Altstadt hindurch gebaut hat, als Bunker konzipiert. Da hatte man den Ärger mit der Statik nur einmal, nicht wahr?«
    Myška nahm einen Schluck Kaffee aus seinem Glas und stellte es wieder vorsichtig auf die angeknackste Porzellanuntertasse.
    »Und für wie viele Menschen war der Bunker gedacht?«, fragte Larissa. »In der Altstadt leben ja ziemlich viele.«
    Sie gab zwei große Stücke Zucker in das Glas mit türkischem Kaffee, das Myškas Sekretärin ihr gebracht hatte, rührte kurz um und nahm einen Schluck. Stark war gar kein Ausdruck. Sie wünschte, sie hätte auch um ein Glas Wasser gebeten. Stattdessen gab sie noch zwei weitere Zuckerstücke in den Kaffee. Sie hatten die Form von Kartensymbolen und waren riesig, dazu noch in Pastelltönen gefärbt. Rosa Herzen, gelbe Karos, hellblau das Pik und pistaziengrün die

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