Nasses Grab
in kleinen Löckchen ihr hübsches blasses Gesicht umrahmte, und dazu smaragdgrüne Augen. Larissa hatte es immer für eine romantische Verklärung gehalten, wenn sie dergleichen in Romanen gelesen hatte, aber es gab sie offenbar tatsächlich, die smaragdgrünen Augen.
Larissa riss sich von diesen Gedanken los. Es half nichts, nun konnte sie nicht mehr zurück. Die beiden Frauen sahen sie erwartungsvoll an. Augen zu und durch, dachte Larissa. Sie atmete tief durch und begann.
»Sie kennen mich vermutlich nicht, Frau Dr. Axamit, aber ich habe Sie vor ein paar Wochen in der Redaktion der Prague Post gesehen. Sie standen am Schwarzen Brett und haben mit dem Chef gesprochen.«
»Ah, ja. Das hatte ich ganz vergessen«, sagte Magda. »Da habe ich Sie also gesehen, ich konnte mich vorhin nicht erinnern. Sie arbeiten bei der Post ? Sie sprechen erstaunlich gut Tschechisch für eine Reporterin der Post . Sind Sie von hier?«, fragte sie. Der Salat stand noch unberührt neben ihr.
Vorsichtig träufelte sie etwas Balsamico und Olivenöl darauf. Xenia blätterte weiter in ihrer Zeitschrift.
»Ja und nein. Ich bin hier in Prag geboren und mit meinen Eltern 1978 nach Deutschland gegangen. Anfang der Neunzigerjahre sind wir dann nach Kanada ausgewandert. Aber meine Eltern haben immer Wert darauf gelegt, dass wir Kinder das Tschechische nicht verlernen. Deshalb habe ich auch den Job bei der Post bekommen. Journalisten, die kein Tschechisch können, gibt es dort zur Genüge.«
Magda lachte. Das Problem kannte sie aus ihrer eigenen Zeit bei dieser Zeitung. »Und was kann ich für Sie tun?«
Larissa seufzte. »Ich schreibe an einem Artikel über die Mumie, die in der Metro gefunden wurde«, sagte sie schließlich geradeheraus. »Ich bin heute Abend hergekommen, um über den Artikel nachzudenken – und da habe ich zufälligerweise gehört, wie Sie sich mit den beiden Polizisten über die Mumie unterhalten haben.«
»Aha. Ein Spion am Nebentisch. Und jetzt möchten Sie noch Zitate, weil Steve Persson sonst keine Zeile von dem druckt, was Sie haben, nicht?« Magda sah Larissa ernst an. »Denn ich nehme an, wer auch immer Ihnen von der Mumie erzählt hat, möchte seinen Namen nicht in der Zeitung sehen, richtig? Warum haben Sie nicht gleich etwas gesagt?«
»Sie und die Polizisten hätten mich doch kaum eingeladen, mitzuhören, oder? Wie ich gehört habe, wussten die Beamten selbst gar nichts von der Sache, und Sie hatten einige Mühe, die beiden dazu zu bewegen, sich der Mumie anzunehmen. Außerdem haben Sie über all das in einem öffentlichen Lokal gesprochen und haben mich am Nebentisch gesehen. Es war nicht meine Absicht, aber ich konnte gar nicht anders, als alles mit anzuhören. Nur – ohne Zitate ist das alles wertlos.«
Magda sah die junge Journalistin nachdenklich an.
»Sie haben recht. Wir hätten wohl ins Büro gehen sollen. Aber ich kann Ihnen nicht einfach ein Interview geben – es sind trotz allem vertrauliche Informationen. Eine laufende Ermittlung.«
»Warum denn nicht?«, mischte sich Xenia jetzt ein und schlug ihre Zeitschrift zu. »Hat dein Polizist gesagt, dass er in diesem Fall offiziell ermittelt? Nein, hat er nicht, denn sein Chef weigert sich, in der Mumie einen Fall zu sehen. Dieser Ignorant besteht darauf, dass es eine antike Mumie ist, die nichts mit der Mordparta zu tun hat. Deinen Chef konntest du Gott sei Dank nicht fragen, denn er ist in der Weltgeschichte unterwegs – andernfalls hätte er sich vermutlich hinter diesem Kohout eingereiht und die Arbeit verweigert. Und dein Polizist kann seinen Staatsanwalt nicht aus dem Urlaub holen, weil das Ganze doch kein Notfall ist. Es interessiert sich doch keiner wirklich für sie – außer uns. Also können wir der Frau Redakteurin doch sagen, was wir wissen.« Sie sah Magda herausfordernd an. »Vielleicht bringt ein Zeitungsartikel ein bisschen Leben in die Lethargie der Herrschaften«, fügte sie spitz hinzu.
Magda sah sie skeptisch an. Das gefiel ihr zwar nicht recht, aber Xenia hatte in gewisser Weise recht.
»Stimmt schon, es ist noch keine laufende Ermittlung. Aber ich habe den Kommissar um Hilfe gebeten, und er hat gesagt, er werde es versuchen. Ich kann ihm doch nicht so in die Parade fahren!«
»Pah, in die Parade fahren! So ein Quatsch. Wenn du mich fragst, erleichtert das der Polizei die Arbeit. Zumindest zwingt es sie, die Mumie vorerst als Fall zu betrachten. Denn wenn wir Pech haben, stellst du fest, dass sie vor mehr als zwanzig
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