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Nasses Grab

Nasses Grab

Titel: Nasses Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Reich
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Pause, in der er aus dem Fenster hinter Magda gestarrt hatte.
    »Soweit ich feststellen konnte, nein. Außer …«, Magda zögerte. Draußen im Flur raschelte etwas. Magda blickte zur offenen Tür. Niemand da.
    »Ja?«, ermunterte Otčenášek die Pathologin.
    »Es gibt da etwas Seltsames«, fuhr sie fort, während sie eine Schublade ihres Schreibtischs öffnete, einen Plastikbeutel herausnahm und ihn auf den Schreibtisch legte. »Im Hals der Leiche haben wir einen kleinen Knochen gefunden. Einen Knochen, der da eigentlich nicht hingehört. Hätte der Mörder die Frau nicht erschlagen, dann wäre sie vermutlich langsam erstickt.«
    Das wird ja immer besser, dachte Anděl. Von einem Knochen im Hals der Mumie hatte ihm Dr. Axamit bisher nichts erzählt.
    »Aber sagen Sie, Frau Doktor, etwas irritiert mich. Wir können davon ausgehen, dass der Mörder die alten Balsamierungstechniken kannte. Aber um diese Dinge in die Tat umsetzen zu können, brauchte er – na, sagen wir, Werkzeug. Ein Skalpell, Mullbinden. Woher hatte er all das?«
    »Nun, er könnte auch ein gewöhnliches, scharfes Messer benutzt haben. Was die Mullbinden angeht, die konnte man auch damals in der Apotheke kaufen. Die Reporterin, Larissa Khek, erwähnte in ihrem Artikel ein geheimes Krankenhaus in der Metro. Vielleicht hat er sich dort bedient.«
    »Frau Dr. Axamit?«
    In der Tür stand Václav ˇerný, der Chef des Gerichtsmedizinischen Instituts.
    »Guten Morgen, Herr Doktor«, grüßte Magda irritiert. »Was kann ich für Sie tun?« Erst vor einer halben Stunde war sie bei ihm gewesen und hatte ihm wegen der Mumie und ihrer eigenmächtigen Obduktion Rede und Antwort gestanden. ˇerný war ernst, aber schließlich verständnisvoll gewesen und hatte ihr mit auf den Weg gegeben, sich in Zukunft penibel an die Vorschriften zu halten. Im Gegenzug hatte sie ihm ihren vorläufigen Obduktionsbericht überreicht. Und nun stand er im Türrahmen und war unter seiner sommerlichen Bräune blass wie ein Gespenst. Er wirkte angespannt, seine rechte Hand steckte wie meist in seiner Kitteltasche, in der linken hielt er einen Packen loser Papiere.
    Geistesabwesend nickte der Gerichtsmediziner Otčenášek und Anděl zu. »Morgen, Theo. Herr Kommissar. Ich – äh, ich hätte Sie nachher gerne gesprochen, Frau Doktor«, sagte er zu Magda, »kommen Sie bitte in mein Büro, sobald Sie frei sind.«
    Magda nickte, und ihr Chef verschwand so plötzlich, wie er gekommen war. Magdas Blick blieb nachdenklich am Türrahmen hängen.
    »Sie hatten vorhin von einem Knochen gesprochen?«, fragte Otčenášek, nachdem ˇerný gegangen war.
    »Ja, Dr. Kratochvíl und ich haben einen Knochen im Hals der Mumie gefunden, und wenn die Frau nicht erschlagen worden wäre, wäre sie daran erstickt.«
    »Sie meinen … Was meinen Sie damit, Frau Doktor? Was für ein Knochen ist das? Das heißt, wo gehörte er eigentlich hin? Und wie ist er in ihren Hals gekommen?«
    »Das ist eine gute Frage. Es ist ein Fingerknochen, das Endglied eines Fingers, vermutlich des kleinen Fingers der rechten Hand …«
    Magda sah noch einmal zur Tür hinüber. Nein, sie hatte sich getäuscht, ihr Chef war nicht zurückgekommen. Ich sehe schon Gespenster, dachte sie.
    »Sie wollen doch nicht etwa sagen, dass die Frau sich vor ihrem Tod den Finger abgebissen und sich daran verschluckt hat?«, hakte der Staatsanwalt nach.
    »Nein. Ihre Finger waren komplett. Aber sie hat offenbar jemandem ein Stück Finger abgebissen. Und verschluckt hat sie sich daran, das steht außer Zweifel. Und hätte der Mörder ihr nicht den Kopf zu Brei geschlagen, wäre sie mit ziemlicher Sicherheit daran erstickt. Langsam zwar, aber erstickt wäre sie. Ich glaube nicht, dass sie das Fingerstück hätte aushusten können.« Magda lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und nahm eine Kristallkugel, die auf ihrem Schreibtisch lag, in die Hände. Sie blickte hinein, als suche sie darin nach der Wahrheit.
    »Unter Umständen hätte man das Fingerstück mit einem Heimlichgriff wieder nach draußen befördern können. Aber selbst wäre sie wohl kaum dazu in der Lage gewesen«, sagte sie schließlich und blickte auf. Was für ein schrecklicher Tod, dachte sie. Niedergeschlagen zu werden, die Atemnot – und dann die gewaltigen Schläge mit irgendetwas, irgendeinem Gegenstand. Sie hoffte für die tote, unbekannte Frau, dass sie in jenem Moment, in dem dieser Gegenstand auf ihren Kopf und ihr Gesicht niedergefahren war, in eine tiefe Bewusstlosigkeit

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