Nasses Grab
und die kryptischen Abkürzungen entschlüsselte, stand da nicht sehr viel mehr, als die Gerichtsmedizinerin auch Anděl schon erzählt hatte. Allerdings waren Geschlecht und Alter der Leiche nun zweifelsfrei und offiziell festgestellt worden. Die Mumie war eine Frau und zum Zeitpunkt ihres Todes zwischen fünfundzwanzig und fünfunddreißig Jahre alt gewesen. Und sie war erschlagen worden. Multiple Frakturen am Schädelknochen. Die waren offenbar auch die Todesursache gewesen. Keine Gewebespuren unter den Fingernägeln. Eine Platzwunde auf der linken Kopfseite. Den Schädel hatte man ihr rechts hinten eingeschlagen.
»Wie ist sie zu der Platzwunde gekommen, Frau Doktor?«, fragte Otčenášek.
»Vielleicht ist sie bei dem Angriff gegen etwas gefallen, oder es hat einen Kampf gegeben, und sie ist gegen etwas gestürzt.«
Magda blickte von einem Formular auf, in das sie die Befunde im Fall eines im Krankenhaus verstorbenen dreiundachtzigjährigen Mannes eintrug. »Und dann hat der Mörder sein Werk vollendet, indem er ihr mit irgendetwas den Schädel eingeschlagen hat?«
»So sieht es aus. Sie ist jedenfalls an den schweren Kopfverletzungen gestorben. Die Platzwunde hätte sie ohne Weiteres überlebt.«
Otčenášek legte die Blätter auf den Schreibtisch. »Was glauben Sie, warum hat man die Leiche so hergerichtet und ausgerechnet in der Metro versteckt?«
»Sie meinen, als Mumie?«
Der Staatsanwalt nickte. »Ist ja nicht gerade üblich, dass Mörder sich so viel Mühe geben.«
»Da haben Sie recht. Nun«, sagte sie nachdenklich, »die Metro war ein gutes Versteck. Man hätte sie doch erst gefunden, wenn eine atomare Katastrophe die Stadt getroffen hätte. Und dann wäre es egal gewesen, unter solchen Umständen, nicht wahr?« Sie erzählte ihm von Alena Freemans Schlussfolgerung.
Der Staatsanwalt nickte. »Ja, da haben Sie recht – oder vielmehr diese Journalistin. Das Versteck war gut gewählt. Aber sagen Sie, was muss man tun, damit so eine Leiche nicht anfängt zu stinken? Einwickeln in Tücher wird da wohl kaum ausreichen.«
»Nein.« Magda lächelte. »Das wiederum hat mir Xenia Bondy erklärt, die Archäologin, die Kohout die Mumie zu verdanken hat. Also, um es kurz zu machen: Die alten Ägypter haben den Toten durch einen relativ kleinen Schnitt unter dem rechten Rippenbogen die inneren Organe entfernt – nur das Herz ließen sie drin. Das Gehirn wurde durch die Nase entfernt.«
»Durch die Nase? Wie denn das?«, fragte Otčenášek mit angewiderter Miene.
»Man führte Haken durch die Nase in den Schädel ein und verquirlte die Hirnmasse, bis sie zur Nase hinauslief. Man wollte die Leiche so wenig wie möglich beschädigen, immerhin glaubte man damals, dass die Toten in der Unterwelt in ihrem eigenen Körper weiterleben. Die Verunstaltungen sollten sich also in Grenzen halten.«
»So, ja. Und dann?« Der Ekel hatte den Staatsanwalt blass werden lassen.
»Und dann hat man die Leiche in Salz eingelegt. Das hat das Gewebe ausgetrocknet und den Verwesungsprozess gestoppt. Das gleiche Prinzip wie beim Einsalzen von Fleisch. Nun, und nach vierzig Tagen wurde das Salz entfernt und die Leiche mit allerlei ätherischen Ölen einbalsamiert; die meisten wirken antibakteriell, verhindern also auch die Verwesung durch Mikroben. Und schließlich wurde die Leiche gewissenhaft in Leinenbahnen gewickelt. In einem aufwendigen Fischgrätmuster. Fertig.«
»Und wie war das bei dieser Mumie?«, fragte Anděl, der bisher still gewesen war.
»Hmm, das ist nicht so leicht zu sagen. Ich glaube, sie war auch in Salz eingelegt, jedenfalls eine Zeit lang. Das Gewebe ist völlig ausgetrocknet. Außerdem habe ich im Bauchraum noch Spuren von Salz gefunden.«
»Wollen Sie damit sagen, jemand hat die Leiche in Salz eingelegt und ist mehr als einen Monat später wieder hingegangen und hat sie dann eingewickelt?«, fragte Otčenášek ungläubig. In jedem Krimi konnte man nachlesen, dass Täter gerne an den Ort des Verbrechens zurückkehrten. Aber das hier war die Realität. Es war für den Mörder ein großes Wagnis gewesen zurückzukehren. Warum sollte er das auf sich genommen haben? Der Staatsanwalt hatte da so seine Zweifel.
»So sieht es aus. Jemand hat alle Organe entfernt, den Brust- und Bauchraum mit Salz gefüllt, die Leiche dann in Salz eingelegt – wie Fische, die man in einer Salzkruste backen will. Nach einiger Zeit, vielleicht nach den bewussten vierzig Tagen, hat jemand das Salz entfernt, die Leiche recht
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