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Nasses Grab

Nasses Grab

Titel: Nasses Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Reich
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schweigen, so wie er selbst. Sein Finger. Ein Unfall. Ein Hund hatte ihn gebissen. Das hatte er immer erzählt, wenn ihn jemand gefragt hatte. Pech gehabt. Kam vor. Und die kleine Reliquie hatte er aus Magdalena Axamits Schreibtisch geholt. Keine Beweise. Er lächelte und machte sich auf den Weg in sein Lieblingscafé. Nach ein paar Schritten blieb er nochmals stehen. Jene Nacht. Er war aus der kleinen Gasse auf die Karlsbrücke gelaufen. Ein Schatten hatte sich von einer der Figuren auf der Brücke gelöst. Der Mann, den er auf seiner Flucht auf der Karlsbrücke fast umgerannt hatte.
    »Verdammt, ˇerný, pass auf, du Idiot!«, hatte der Mann ihm nachgerufen.
    Es gab einen Zeugen. Er musste ihn finden.
     
    Sie betrachtete verwirrt die drei Fotos auf dem Bildschirm. Eines zeigte eine junge Frau, vielleicht Mitte dreißig, mit langen dunklen Haaren und einem sehr schönen Gesicht, das ernst in die Kamera sah. Auf dem zweiten blickte eine ältere Frau eher unbestimmten Alters in die Ferne. Sie hatte kinnlanges blondes Haar und war ebenso hübsch wie die erste. Das dritte schließlich war eine Kopie des zweiten, nur dass die Frau nun langes dunkles Haar hatte. Der Text zu dieser merkwürdigen E-Mail ihrer Enkelin war kurz gewesen: »Offenbar hast Du eine Doppelgängerin in Prag, Babi ! Liebe Grüße aus Paris, Deine Cassia.«
    Erst Magda mit diesem kryptischen Anruf. Ob sie eine Dana Volná kenne? Sie sei über ein Foto in einer alten Zeitschrift gestolpert, und die Ähnlichkeit sei unglaublich. Jetzt ist es passiert, hatte Milena Axamit gedacht, jetzt fliegt alles auf. Was sollte sie tun – die Wahrheit sagen oder weiterlügen? Der goldene Mittelweg, wie so oft. Und nun das.
    Milena Axamit schüttelte den Kopf. Das war doch nicht möglich. Die Frau auf dem ersten Foto und jene auf dem veränderten sahen sich wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich. Sie kannte diese Frau auf dem ersten Foto sehr gut. Es war sie selbst, Mitte der Siebzigerjahre an den Niagarafällen. Ihr Mann hatte das Foto aufgenommen. Aber wer war die andere?
    Wahrscheinlich war es so, wie Cassia geschrieben hatte. Sie hatte eine Doppelgängerin in Prag. Denn alles andere war unmöglich. Undenkbar. Sie hatte doch selbst mit dem Mann von der Botschaft gesprochen, damals im Herbst 1977. Dem Tag, den ihre Mutter fast nicht überlebt hätte. Als der Mann gegangen war, hatten sie sie mit einem Kreislaufzusammenbruch ins Krankenhaus bringen müssen. Der hatte sich dann als Herzinfarkt herausgestellt. Ein schrecklicher Tag. Erst zu erfahren, dass ihre Zwillingsschwester bei einem Unfall in Jugoslawien ums Leben gekommen war, dann ihre Mutter auf der Intensivstation im Krankenhaus.
    »Was hast du da, Milena?«, fragte ihre Mutter, die eben in das Arbeitszimmer ihrer Tochter gekommen war, und sah ihr über die Schulter.
    »Ach, nichts, Mama, nur ein paar alte Fotos.« Sie versuchte, die Mail zu schließen, doch ihre Mutter war schneller. Sie legte ihre alte, runzelige Hand auf Milenas.
    »Nein, warte … Großer Gott, das ist ja Dana!«, rief sie aus und stützte sich schwer auf Milenas Stuhllehne. Milena sprang auf und half ihrer Mutter, sich zu setzen. Anna Navrátilová zitterte am ganzen Körper, als sie sich niederließ. Sie starrte wie gebannt auf die Fotos. »Woher hast du diese Bilder?«
    »Beruhige dich, Mama. Cassia hat sie geschickt – aus Paris.« Sie nahm eine Flasche Wasser vom Schreibtisch und goss zwei Gläser voll. »Hier, trink das, Mama. Und beruhige dich. Das kann nicht Dana sein, das weißt du doch. Dana ist tot.« Sie trank ihr Glas auf einen Zug aus.
    Ihre Mutter sah sie an, als zweifle sie am Verstand ihrer Tochter.
    »Das ist Dana. Da kannst du mir erzählen, was du willst! Ich würde mein Kind überall wiedererkennen.«
    Sie blickte wieder auf die Fotos in ihren Händen. »Und das da«, sie deutete auf das erste Foto, »das bist du, damals auf diesem Ausflug, bei den Niagarafällen. Ich erinnere mich noch genau, wie wütend du warst, dass Gregory dich fotografiert hat. Verstehe ich bis heute nicht, es ist so ein schönes Bild.«
    »Es ist nur eine Doppelgängerin, Mama. Es kommt vor, dass einem jemand ähnlich sieht.« Milenas Stimme hörte sich zu ihrer eigenen Überraschung unsicher an. Es war gespenstisch. Die Ähnlichkeit war wirklich verblüffend.
    »Pah – Doppelgängerin! So ein Blödsinn. Und das aus dem Mund einer Frau, die ihren Lebensunterhalt mit der Rekonstruktion von Gesichtern verdient! Ich wette, dein Computer

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