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Nasses Grab

Nasses Grab

Titel: Nasses Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Reich
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hohen Absätze, dachte er. Aber trotzdem sehr gut proportioniert. Sein Blick wanderte zurück zu ihrem Gesicht. Große graue Augen, ein ebenmäßiges, klassisch geschnittenes Gesicht mit hohen Wangenknochen und einem vollen Mund. Sie hatte kaum Make-up aufgelegt, nur Wimperntusche, soweit er das beurteilen konnte. Diese Frau war wirklich faszinierend.
    »Ist Ihnen nicht gut, Herr Kommissar?«, unterbrach Magda seine abschweifenden Gedanken.
    »Wie bitte? – Oh, doch, doch, alles in Ordnung. Danke. Ich war irgendwie abgelenkt.«
    »Das habe ich bemerkt«, erwiderte sie mit einem koketten Lächeln und strich ihren makellosen Laborkittel glatt. »Sie scheinen über Veronika hinweg zu sein.«
    »Was? … Woher …? Ach, zum Teufel, diese Stadt ist ein verdammtes Dorf!« Er lachte. »Ja, die Sache ist längst gegessen. Entschuldigen Sie, bitte, ich wollte Sie nicht so unverschämt anstarren.«
    »Von unverschämt kann keine Rede sein. Ich betrachte den Blick als Kompliment.« Sie legte den Kopf schräg. »Nicht die Stadt, nur das Institut. Jirka hat sich Sorgen um Sie gemacht. Sie seien nur noch im Büro gewesen, sagte er. Und alles nur wegen dieses ›Kälbchens‹, wie er sich ausdrückte.«
    »Soso, ein Kälbchen, ja? Nun, er muss sich keine Sorgen mehr machen. Ich habe inzwischen festgestellt, dass meine Mutter recht hatte«, sagte er schmunzelnd.
    »Inwiefern?«
    »Sie wissen schon – auch andere Mütter haben schöne Töchter. Aber wir haben Wichtigeres zu tun. Sind die Gewebeschnitte noch da?«
    »Mhm. Es ist nicht alles verloren. Ich werde sie vorsichtshalber nachher mit nach Hause nehmen. Aber wenn jemand den Knochen mitgenommen hat …«
    »Ja, das gibt einem doch sehr zu denken.«
     
    Václav ˇerný, Chef der Prager Gerichtsmedizin saß an seinem Schreibtisch und blickte auf die vor ihm liegende alte Ausgabe der Prague Post . Darunter lagen aktuellere Ausgaben von MFDnes, Lidové Noviny und Právo . Eine bessere Geschichte konnten sich die Journalisten nicht wünschen für die sonst nachrichtenarme Zeit des Sommers. Alle Zeitungen berichteten von diesem sensationellen Fund in der Metro, den das Hochwasser ans Licht gespült hatte.
    Draußen im Flur hörte er seine Mitarbeiter vorbeilaufen. Es war Mittagszeit, einige waren wohl auf dem Weg zum Essen. Die klappernden Absätze mussten zu Frau Dr. Axamit gehören, die hübsche Gerichtsmedizinerin, die er auf Anraten seines besten Pathologen Dr. Jirí Kratochvíl eingestellt hatte. Hoffentlich würde er es nicht bereuen. Sie war intelligent und gewissenhaft. Und sehr attraktiv. »Großer Gott, sie könnte deine Tochter sein!«, schalt er sich.
    Als er diese Geschichte in der Prague Post gelesen hatte, über die Mumie aus der Metro, hatte er sich nichts weiter dabei gedacht. Natürlich, es war schon eine geradezu unglaubliche Geschichte. Särge in der Metro – aber davon hatte er als einer der wenigen ja gewusst, schließlich war er am Aufbau des unterirdischen Krankenhauses mit der dazugehörigen Leichenhalle beteiligt gewesen. Und die Mumie? Nun, das hatte ihn amüsiert. Da hatte ein Mörder zur Abwechslung mal Fantasie bewiesen und Kaltblütigkeit.
    Als er sie am Tag, nachdem er aus dem Urlaub zurückgekommen war, gelesen hatte, war es lediglich eine dieser seltsamen Geschichten gewesen, die sonst nur in Kriminalromanen vorkamen. Es war ein Sonntag gewesen, und er war mit Theodor Otčenášek zum Tennisspielen verabredet. Theo hatte ihm die Ausgabe mitgebracht und sie ihm nach dem Match, das ˇerný wie üblich gewonnen hatte, gezeigt.
    »Damit du vorbereitet bist auf das, was dich morgen im Büro erwartet«, hatte der Staatsanwalt gesagt. »So was bekommt man nicht alle Tage auf den Tisch.«
    Bei einem kühlen Bier nach dem Spiel auf der Terrasse des Tennisklubs hatte Theo ihm erzählt, was sie inzwischen über diesen seltsamen Fall wussten. Eine Mumie in der Metro, in einem Sarg der geheimen Leichenhalle unter der Stadt. Absurde Geschichte, hatte er darauf gesagt und gelacht. Wer macht denn so was?
    Theodor Otčenášek hatte sich furchtbar über den Chef der Mordparta aufgeregt. Der Kohout sei ein ausgemachter Hornochse, hatte er sich ausgelassen. Recht hatte er. Wie alle anderen konnte auch ˇerný den aufgeblasenen Kohout nicht leiden. Aber der Mann hatte offenbar gute Verbindungen nach oben. Anders war es jedenfalls nicht zu erklären, wieso er noch immer an seinem Schreibtisch saß, nach allem, was er sich in den langen Jahren seiner Tätigkeit

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