Nasses Grab
geleistet hatte. Man sollte ihn endlich in die Wüste schicken, hatte er Theo geantwortet. Auf seinen verdammten Weinberg würde mir schon reichen, hatte der Staatsanwalt lachend erwidert.
»Deine neue Kollegin ist da ein ganz anderes Kaliber«, hatte Theo das Thema gewechselt und die Axamit über den grünen Klee gelobt für ihre schnelle und präzise Arbeit und dafür, dass sie sich von Kohout nicht hatte einschüchtern lassen und die Obduktion einfach ohne Ermächtigung durchgeführt hatte. ˇerný war stolz gewesen auf seine Mitarbeiterin, obwohl ihn dieser laxe Umgang mit den Vorschriften ziemlich irritierte. Das durfte man nicht einreißen lassen, er würde trotz allem ein ernstes Wörtchen mit ihr sprechen müssen.
Und dann hatte er ein paar Tage später gehört, wie sie Theo und dem Kommissar von einem Knochen im Hals der Mumie erzählt hatte. ˇerný hatte natürlich bereits ihren vorläufigen Autopsiebericht gelesen, von einem Knochen im Hals war da jedoch keine Rede gewesen.
Ein Knochen im Hals einer ermordeten jungen Frau, die vermutlich seit fünfundzwanzig Jahren in der Metro gelegen hatte. Seit dem Sommer 1977, wie Otčenášek ihm berichtet hatte. Ein anonymer Anrufer hatte ihnen den Zeitpunkt verraten – und den Namen des Opfers. Den Namen hatte Theo nicht erwähnt, nur dass ihnen der Anrufer einen Hinweis gegeben hatte. Und er hatte nicht nachgefragt. Dr. Axamits Worte hatten ihn getroffen wie ein Hammerschlag.
Das durfte nicht wahr sein! Nein, nein, nein !, schrie eine Stimme in seinem Kopf. Sie war lebendig gewesen, als er wie von Sinnen aus dem Haus gelaufen war, an jenem Abend vor fünfundzwanzig Jahren. Lebendig , verdammt noch mal! Er war Arzt, Gerichtsmediziner, wer, wenn nicht er, konnte das beurteilen? Sie hatte gelebt. Er hatte ihren Puls gefühlt, der war schwach gewesen, aber da. Sie hatte geatmet.
Er war in Panik die Treppe hinuntergelaufen, hinaus in die enge Gasse, um die Ecke zur Karlsbrücke, weiter auf die andere Seite des Flusses. Fast hätte ihn eine Straßenbahn überfahren an dieser Kreuzung, auf die der in Bronze gegossene Karl IV. seit Jahrhunderten desinteressiert herabblickte. Und die ganze Zeit hatte seine rechte Hand gepocht wie von tausend Hämmern geschlagen. Er hatte von zu Hause aus Honza angerufen. Hilf ihr, Honza ! Honza. Grauen durchflutete ihn. Konnte Honza … Niemals, nicht Honza. Sein bester Freund, damals. Er konnte Dana nicht getötet haben. Oder war das seine Art gewesen, ihm zu helfen? Hatte Honza Dana getötet? Hatte Honza ihr den Schädel und das schöne Gesicht eingeschlagen?
ˇerný hatte den Freund anrufen wollen aus Malta. Von seinem neuen Arbeitsplatz in der Sonne, in der ersehnten Freiheit. Er hatte es nicht getan. Immer wieder hatte er die Nummer gewählt, immer wieder hatte er aufgelegt. Er hatte sich geschämt. Geschämt für das, was er getan hatte.
Welcher Teufel hatte ihn geritten, an jenem Abend zu Dana zu gehen? Er wusste doch, dass sie längst auf dem Weg zu ihrer Cousine in Mähren war. Mal sehen, ob ich dich mal auf Malta besuchen komme, hatte sie ihm in ihrer koketten Art zum Abschied auf den Weg gegeben. Er hatte gewusst, dass sie in den Westen wollte. Aber nicht mit ihm, dabei wäre das so viel einfacher gewesen. Nicht nur für sie. Sie hätte ihn nur heiraten müssen, dann hätte er seinen Vater auch nicht zu erpressen brauchen, ihm die Stelle zu verschaffen.
»Vergiss es, Venca«, hatte sie gesagt, »ich heirate nicht – dich nicht und auch niemanden sonst.« Was hatte er in ihrer Wohnung zu finden gehofft? Gefürchtet?
Franta. Dieses verdammte Schwein. Franta hatte ihn am Nachmittag, bei Cernýs kleiner Abschiedsfeier im Kreise der Kollegen, aufgezogen. Franta, einer seiner Kollegen im Krankenhaus, der ihn immer um Dana beneidet hatte. Franta, der hämisch gesagt hatte, Venca schrecke wohl vor nichts zurück, um nach Malta zu kommen.
»Du lässt nicht nur eine Frau wie Dana hier zurück, sondern auch noch deinen Blagen«, hatte dieser Mistkerl gesagt, als alle anderen außer Honza schon gegangen waren.
ˇerný hatte ihn verständnislos angestarrt.
»Überrascht, dass dein kleines Geheimnis keines ist? Oder – das gibt’s doch nicht!« Franta hatte sich vor Lachen auf die Schenkel geschlagen. »Jetzt sag bloß, das weißt du nicht, Venca? Sie hat ein Kind in Franzensbad, mein Bester. Aber vielleicht ist es ja nicht von dir, was? So eine schöne Frau hat viele Verehrer, die nur darauf warten, dass du dich aus dem Staub
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