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Natalia, ein Mädchen aus der Taiga

Natalia, ein Mädchen aus der Taiga

Titel: Natalia, ein Mädchen aus der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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noch. Man ließ sich abhören und abtasten, man genoß die Nähe der schönen Genossin Ärztin und den Anblick der frischen Krankenschwester, aber dann ging's an den Darm! Genossen, da tat sich was! ›Die Hosen runter!‹ kommandierte die Ärztin kalt. ›Nach vorn bücken! Beine auseinander! Wer einen Wind abläßt, wird gemeldet!‹ Hält man so etwas für möglich? Und dann streift sie sich einen Gummihandschuh über und bohrt ihren Finger jedem … Genossen, eine so schöne Person, ein so zartes Weibchen! Wir haben geschnauft und die Augen verdreht – ich sage euch, das war ein Erlebnis! Und alles auf Kosten der Partei!«
    »Wir wollen die Häuser durchsuchen!« sagte Kassugai laut. Endlich war es möglich, Petrows große Erinnerung zu beenden.
    »Durchsuchen? Die Häuser? Sind Sie von der Miliz?«
    »Das Mädchen ist hier!«
    »Es ist nicht hier!«
    »Das wollen wir sehen!«
    »Als Dorfsowjet sage ich Ihnen …«
    Kassugai winkte Nikolai. Der hob wieder die Pistole und zielte auf Petrow. »Es hat keinen Sinn mehr zu reden!« sagte Kassugai. »Gehen wir! Und Sie voraus, Jakow Michailowitsch. Machen Sie jedem klar, daß wir schießen werden, wenn man uns Widerstand leistet!«
    »Wir schießen zurück!« brüllte Jefim, der Idiot, aus seiner Ecke. »Wir schießen – schießen …«
    »Los!« Kassugai zeigte auf die Tür. Petrow rang mit sich und beschloß dann, um die Ruhe im Dorf nicht zu gefährden, zu gehorchen. Er ging voraus, verließ das Parteihaus und näherte sich der ersten Hütte, aus der es nach Sauerkohl roch. Davor auf einer Bank aus Birkenknüppeln saß Wassili, der Hausherr, und verdaute. Ein Spätsommer in Sibirien, an der Steinigen Tunguska, muß genossen werden. Zu schnell ist der kalte Wind da, erstarren Boden und Bäume, muß man die Fenster verkleben und hat nur die Plattform des warmen Ofens als einzigen Lebensraum. Da heißt es, die letzte Sonne voll in sich hineintrinken! Das ist Kraft für den Winter, das bleibt im Blut!
    Wassili betrachtete den Anmarsch der drei Männer hinter einer Qualmwolke, die aus seiner selbstgeschnitzten Pfeife quoll. Daß wieder ein Auto nach Satowka gekommen war, das wußte bereits jeder. Jetzt sah man auch die Männer, und sie waren auf den ersten Blick unsympathisch. Ganz wachsam wurde Wassili jedoch, als Jefim als letzter aus dem Parteihaus stürzte und laut schrie:
    »Durchsuchen wollen sie! Das ganze Dorf durchsuchen! Habt ihr ein Mädchen versteckt, Genossen? Dann heraus damit – heraus!«
    »Man sollte den Kerl erschießen!« knurrte Nikolai. »Wenn Natalia wirklich hier ist, warnt er sie mit seinem Geschrei.«
    »Wo soll sie hin?« Kassugai lächelte grausam. »Wir würden sie sehen. Und ich spüre es in allen meinen Nerven, daß sie in diesem Dorf ist!«
    Um es kurz zu machen, denn wir können nicht die Durchsuchung aller Häuser schildern: Kassugai fragte wenig, ob man ihn ins Haus lassen wollte oder nicht, weder Wassili noch die anderen Leute von Satowka. Er trat vor sie hin, sagte, er wolle das Haus sehen, und wenn die Überrumpelten zuerst protestierten, hob Nikolai seine Pistole und krümmte den Finger am Abzug. Das überzeugte alle. Sie schrien zwar, das sei Unrecht, Verletzung der Menschenwürde, die doch die Partei garantiere, man drohte mit Anzeige bei der Miliz in Batkit, aber Kassugai lachte nur grob und schob alle beiseite.
    Er betrat die Häuser, ging durch alle Stuben, öffnete alle Schränke und Truhen und durchstöberte Scheunen und Ställe. Petrow ging immer vorweg – gewissermaßen als Aushängeschild: Wehrt euch nicht! Der Bursche schießt!
    Nach der Durchsuchung des vierten Hauses rannte Jefim weg und alarmierte den Popen Tigran. »Wie ein Kommissar benimmt er sich«, berichtete er, »bedroht jeden mit der Pistole, wühlt in den Kisten herum! Was sollen wir tun, Väterchen?«
    Tigran, der gerade einen großen Kerzenleuchter putzte, starrte Jefim mit zusammengezogenen Brauen an und fragte, während sich sein langer schwarzer Bart sträubte: »Er kommt aus Mutorej?«
    »Sagt er. Ein Natschalnik der ›Sowchose Oktoberrevolution‹!«
    »Aha!« Tigran Rassulowitsch wurde noch nachdenklicher. Ein Zusammenstoß mit solchen Leuten war nicht seine Sache. Er war froh, daß man seine Kirche hier in der Wildnis duldete, oder besser gesagt: nicht wahrnahm! Kam nun ein einflußreicher Genosse und erzählte später, in Satowka habe die Kirche mehr zu sagen als Lenins Geist, dann war es möglich, daß sich eine Kommission in die Taiga

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