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Natalia, ein Mädchen aus der Taiga

Natalia, ein Mädchen aus der Taiga

Titel: Natalia, ein Mädchen aus der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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fortzusetzen.
    »Auf ein Wort!« brüllte Tigran, der ihm nachlief. »Bleiben Sie stehen, wir kommen jetzt zu einem Haus, das ich Ihnen erklären muß! Ich warne Sie, es zu betreten!«
    Kassugai und Nikolai blieben stehen. Sie befanden sich auf dem Wiesenstück, das zwischen dem angeblichen Geisterhaus und Anastasias Hütte lag. Gewissermaßen im Niemandsland zwischen der Hölle und dem Himmel …
    Tigran streckte abwehrend die Hände aus. »Betreten Sie das Haus, nicht«, sagte er dumpf. »Durchsuchen Sie jede Hütte, jeden Misthaufen von mir aus, erschrecken Sie alte Weiblein zu Tode … nur um dieses Haus machen Sie einen Bogen!«
    »Darin steckt sie!« sagte Nikolai leise hinter Kassugai. »Wir sind am Ziel, Rostislaw Alimowitsch.«
    »Und warum nicht dieses Haus?« fragte Kassugai höhnisch. Aus den Augenwinkeln betrachtete er das massive, für Jahrhunderte gebaute Blockhaus. Stand es leer? Die Decke an einem Fenster … Düster sah das Haus aus, trotz der Sonne, die es beschien.
    »Wer da hineingegangen ist, ist nur als Toter wieder herausgekommen!« erwiderte Petrow, ehe der Pope zu einer Erklärung ansetzen konnte. »Oder es geschehen rätselhafte Unglücksfälle, wie dem Mann von Anastasia Alexejewna einer zugestoßen ist. Da kommt sie gerade. Fragen Sie sie selbst!«
    Aber das war nicht möglich. Anastasia steckte nur den Kopf aus ihrer Haustür und rief verzweifelt: »Soll das denn nie aufhören? Warum schlägt kein Blitz in dieses elende Haus ein?« Was dumm war, denn es schien ja die helle Sonne.
    Anastasia verschwand wieder.
    »Das Haus ist verflucht!« erklärte Tigran düster. »Erst vor vier Tagen war hier die Hölle los! Alles stand in Flammen und doch verbrannte nichts! Wenn das nicht Teufelswerk ist!«
    »Sie mögen an solchen Unsinn glauben«, sagte Kassugai. »Dafür sind Sie ja Pope! Ich bin ein aufgeklärter Kommunist. Geister! Teufel! In euren Hirnen ist Jauche, weiter nichts!« Er ging allein zu dem ›Leeren Haus‹, weil Nikolai mit seiner Pistole Petrow daran hindern mußte, Kassugai am Rock festzuhalten.
    »Zurück!« donnerte Tigrans gewaltiger Baß. »Mein Sohn, Sie wissen nicht, was Sie tun!«
    »Ich weiß es genau!« An der Tür des Hauses drehte sich Kassugai noch einmal um. »Ich werde euch allen zeigen, was ihr für Idioten seid!«
    »Die Heiligen seien mit dir!« schrie Tigran. »Tritt nicht ein …«
    Kassugai lachte rauh. Er drückte die schmiedeeiserne Klinke herunter, stieß die schwere Bohlentür auf und verschwand im Innern des Hauses.
    Es blieb alles still. Man hörte weder Kassugais Stimme, noch erschien er am Fenster, um zu zeigen, daß er noch lebte. Es geschah gar nichts, und das war noch unheimlicher.
    »Lasset uns beten!« stammelte Jefim, der Idiot, und faltete die Hände. »Auch du …« Er stieß dabei Nikolai an, der auf das Haus starrte und die Pistole hatte sinken lassen. »Du siehst deinen Kumpan lebend nicht wieder!«
    Tigran hatte die Hände in seinem Bart vergraben, Jefim betete leise, Petrow zitterte, Nikolai nagte an seiner Unterlippe, und die Witwe Anastasia war wieder in ihrer Tür erschienen und rang stumm die Hände.
    Alles wartete. Kam Kassugai unversehrt zurück? Besiegte der Kommunismus den Teufel …? Die feierliche Ruhe wurde gestört von dem kleinen Vitali Jakowlewitsch Gasisulin. Er rannte wie ein Wiesel die Straße entlang und ruderte mit den Armen, als wolle er Fliegen verscheuchen. Seine Lunge keuchte.
    »Ist es wahr?« schrie er mit heller Stimme. »Wir haben eine Tote! Die gute, liebe, brave Valentina Agafonowna ist im Badekübel heimgegangen? Friede ihrer Seele! Wollen wir sammeln für einen schönen Sarg? Breit muß er sein – ihr kennt doch ihre Figur …«
    »Ruhe!« brüllte Tigran und hob die Faust. »Wir warten auf den nächsten Toten!«
    »Was für ein Tag!« stammelte Gasisulin ergriffen. Er stellte sich neben Tigran und starrte geradezu lüstern auf das ›Leere Haus‹.
    Er hatte es kaum ausgesprochen, als alle zusammenzuckten. Ein frostiger Schauer umwehte sie – trotz der heißen Sonne.
    Aus dem Innern des Hauses erklang ein gräßlicher langgezogener Schrei. Er hing in der Luft, blieb im Ohr, klebte an den Kleidern wie Pech. Ein Schrei, wie ihn kaum ein Mensch ausstoßen kann …
    Nikolai war der erste, der das Grauen abschüttelte. »Ich komme, Rostislaw!« rief er, riß die Pistole hoch und wollte zum Haus laufen. Aber er machte nur einen kleinen Schritt, dann krachte Tigrans gewaltige Faust auf ihn herunter, genau auf

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