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Natalia, ein Mädchen aus der Taiga

Natalia, ein Mädchen aus der Taiga

Titel: Natalia, ein Mädchen aus der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Kassugai.
    Petrows schielende Augen verdrehten sich besorgniserregend. »Tausend Rubel? Und das sagen Sie so daher? Tausend Rubel? Haben Sie schon mal soviel Geld in der Hand gehabt?«
    »Nein. Wer hat das schon von uns? Aber diese Summe ist als Belohnung ausgesetzt, wenn Natalia Nikolajewna gefangen wird. Der Glückliche könnte Petrow heißen.«
    »Ich? Macht mich nicht schwindelig, Genossen …«
    »War Natalia hier im Dorf? Haben Sie sie gesehen, mein lieber Jakow?«
    »Hier ist kein fremdes Mädchen durchgekommen! Nie! Man hätte es gesehen. Keine Maus ist mir unbekannt, wenn sie einmal durch das Dorf läuft! Und dann ein ausgewachsener Mensch – unmöglich!« Petrow hob bedauernd beide Arme. »Auch für tausend Rubel, liebe Genossen, ich kann euch nicht dienen!«
    Kassugai wagte es, ein paar Schritte vorzutreten und an den Schreibtisch zu kommen. Er kalkulierte richtig. Petrow war durch die Erwähnung der tausend Rubel wie entnervt und leistete keinen Widerstand, als Kassugai ihm vorsichtig die Pistole aus der Hand nahm und dann Nikolai zuwarf. Der fing sie geschickt auf und richtete sie sofort auf Petrow. Jakow Michailowitsch erkannte, wie sich die Situation verändert hatte, grinste schief und begann noch schrecklicher zu schielen.
    »Die Pistole ist Parteieigentum!« sagte Petrow fast entschuldigend. »Nichts für ungut. Ich war vielleicht ein wenig unfreundlich beim Empfang. Man weiß ja nie, wer da so hereinkommt …«
    Kassugai war ans Fenster getreten und blickte hinaus. Das Dorf lag in träger Mittagsruhe. Selbst die struppigen Hunde hatten sich in den Schatten gerollt und dösten.
    Jefim war inzwischen aufgestanden und an die Wand zurückgewichen. Er starrte Kassugai und Nikolai aus haßerfüllten Augen an. Jetzt stark sein, schien er zu denken. Groß und kräftig wie der Genosse Ingenieur etwa oder unser Pope Tigran. Und Mut haben wie ein einsamer grauer Wolf im Winter … Oh, ich würde sie beide an die Wand schmettern und ihre Köpfe wie Eierchen aufschlagen! Aber ich bin ja nur ein armer Idiot, und das stärkste an mir ist meine Stimme, wenn ich kreische …
    »Wir haben die Spur Natalias genau verfolgt«, sagte Kassugai nun und trat vom Fenster zurück. »Vor zwei Wochen ist sie in Proskojowne gesehen worden. Sie hat dort Tee getrunken, ein halbes Brot mit Gurken und Zwiebeln gegessen und war nach zwei Stunden wieder in der Taiga verschwunden. In Proskojowne hat sie sich auch erkundigt, wo das nächste Dorf liegt. Und das nächste Dorf ist Satowka!«
    »Ich kenne Proskojowne nicht«, sagte Petrow. »Bin nie dort gewesen und keiner von denen bei uns! Wieso kennt man uns da?«
    »Weiß ich es?« Kassugai nickte Nikolai zu. Jetzt begann die Aktion, die er von dem Augenblick an geplant hatte, als sie in Satowka einfuhren. »Ist es möglich, daß einer deiner Bauern das Mädchen versteckt hält?«
    »Auf keinen Fall! Hier weiß jeder vom anderen, was er tut! Dazu die Frauen! Die geschwätzigen Frauen! Es käme sofort heraus, Genossen! Welche Frau nimmt ein hübsches Mädchen bei sich auf? Soll sie ihren Mann immer anbinden? Wie Böcke sind die Kerle hier, wenn ihnen ein Mädchen in die Quere kommt! Da war etwas … Vor vier Jahren vielleicht kommt eine Krankenschwester aus Batkit herüber, und einen Tag später eine junge Ärztin. Von der Partei geschickt, Reihenuntersuchung nennen sie es. Machten sich hier in meinem Büro breit, bauten blitzende Instrumente auf, ein klappbares Bett sogar und hantierten mit allerlei geheimnisvollen Apparaten. Ich frage: ›Was soll das alles, liebe Genossinnen?‹ und sie antworten: ›Wir untersuchen von allen Einwohnern Satowkas die Lungen, das Herz, die Galle und den Darm!‹ Oje, habe ich gedacht, das wird etwas geben. Und es gab etwas, Brüderchen! Zuerst die Frauen, das ging ganz gut bis auf Valentina Agafonowna, die nicht wollte, daß die Ärztin ihr zwischen die Beine guckte. ›Siebzig Jahre bin ich alt‹, hat sie geschrien, ›und dahin hat noch keiner gesehen!‹ Sie lag auf dem Klappbett und preßte die Beine zusammen. Aber es half ihr alles nichts – die anderen hatten's getan, und so mußte sie auch daran glauben. Nach einer halben Stunde wankte Valentina Agafonowna aus dem Büro und hatte einen glutroten Kopf. Kein Wort sagte sie, als man sie fragte, aber sie tat wie eine Zwanzigjährige, die aus dem Heu kriecht.«
    Petrow holte Atem. Die Erinnerung übermannte ihn sichtlich.
    »Aber dann – dann kamen die Männer! Herz, Lunge und Galle – das ging

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