Nathan der Weise
zu weit!
Dem kann ich nichts entgegensetzen; nicht
Geduld, nicht Überlegung; nichts!
SITTAH. Was?
wem?
RECHA.
Was sie mir eben itzt entdeckt will haben.
SITTAH.
Entdeckt? und eben itzt?
RECHA.
Nur eben itzt!
Wir nahten, auf dem Weg hierher, uns einem
Verfallnen Christentempel. Plötzlich stand
Sie still; schien mit sich selbst zu kämpfen; blickte Mit nassen Augen bald gen Himmel, bald
Auf mich. Komm, sprach sie endlich, laß uns hier
Durch diesen Tempel in die Richte gehn!
Sie geht; ich folg ihr, und mein Auge schweift
Mit Graus die wankenden Ruinen durch.
Nun steht sie wieder; und ich sehe mich
An den versunknen Stufen eines morschen
Altars mit ihr. Wie ward mir? als sie da
Mit heißen Tränen, mit gerungnen Händen
Zu meinen Füßen stürzte …
SITTAH. Gutes
Kind!
RECHA.
Und bei der Göttlichen, die da wohl sonst
So manch Gebet erhört, so manches Wunder
Verrichtet habe, mich beschwor; - mit Blicken
Des wahren Mitleids mich beschwor, mich meiner
Doch zu erbarmen! - Wenigstens, ihr zu
Vergeben, wenn sie mir entdecken müsse,
Was ihre Kirch’ auf mich für Anspruch habe.
SITTAH.
(Unglückliche! - Es ahnte mir!)
RECHA. Ich
sei
Aus
christlichem
Geblüte; sei getauft;
Sei Nathans Tochter nicht; er nicht mein Vater! -
Gott! Gott! Er nicht mein Vater! - Sittah! Sittah!
Sieh mich aufs neu’ zu deinen Füßen …
SITTAH. Recha!
Nicht doch! steh auf! - Mein Bruder kömmt! steh auf!
SIEBENTER
AUFTRITT
Saladin und die Vorigen.
SALADIN.
Was gibt’s hier, Sittah?
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SITTAH.
Sie ist von sich! Gott!
SALADIN. Wer
ist’s?
SITTAH.
Du weißt ja …
SALADIN. Unsers
Nathans
Tochter?
Was fehlt ihr?
SITTAH.
Komm doch zu dir, Kind! - Der Sultan …
RECHA.
(die sich auf den Knien zu Saladins Füßen
schleppt, den Kopf zur Erde gesenkt).
Ich steh nicht auf! nicht eher auf! - mag eher
Des Sultans Antlitz nicht erblicken! - eher
Den Abglanz ewiger Gerechtigkeit
Und Güte nicht in seinen Augen, nicht
Auf seiner Stirn bewundern …
SALADIN.
Steh … steh auf!
RECHA.
Eh’ er mir nicht verspricht …
SALADIN.
Komm! ich verspreche …
Sei was es will!
RECHA.
Nicht mehr, nicht weniger,
Als meinen Vater mir zu lassen; und
Mich ihm! - Noch weiß ich nicht, wer sonst mein Vater Zu sein verlangt; - verlangen kann. Will’s auch
Nicht wissen. Aber macht denn nur das Blut
Den Vater? nur das Blut?
SALADIN. (der
sie
aufhebt)
Ich merke wohl! -
Wer war so grausam denn, dir selbst - dir selbst
Dergleichen in den Kopf zu setzen? Ist
Es denn schon völlig ausgemacht? erwiesen?
RECHA.
Muß wohl! Denn Daja will von meiner Amm’
Es
haben.
SALADIN. Deiner
Amme!
RECHA.
Die es sterbend
Ihr zu vertrauen sich verbunden fühlte.
SALADIN.
Gar sterbend! - Nicht auch faselnd schon? - Und wär’s Auch wahr! - Jawohl: das Blut, das Blut allein
Macht lange noch den Vater nicht! macht kaum
Den Vater eines Tieres! gibt zum höchsten
Das erste Recht, sich diesen Namen zu
Erwerben! - Laß dir doch nicht bange sein! -
Und weißt du was? Sobald der Väter zwei
Sich um dich streiten: - laß sie beide; nimm
Den dritten! - Nimm dann mich zu deinem Vater!
SITTAH.
O tu’s! o tu’s!
SALADIN.
Ich will ein guter Vater,
Recht guter Vater sein! - Doch halt! mir fällt
Noch viel was Bessers bei. - Was brauchst du denn
Der Väter überhaupt? Wenn sie nun sterben?
Beizeiten sich nach einem umgesehn,
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Der mit uns um die Wette leben will!
Kennst du noch keinen? …
SITTAH.
Mach sie nicht erröten!
SALADIN.
Das hab ich allerdings mir vorgesetzt.
Erröten macht die Häßlichen so schön:
Und sollte Schöne nicht noch schöner machen? -
Ich habe deinen Vater Nathan; und
Noch einen - einen noch hierher bestellt.
Errätst du ihn? - Hierher! Du wirst mir doch
Erlauben,
Sittah?
SITTAH. Bruder!
SALADIN.
Daß du ja
Vor ihm recht sehr errötest, liebes Mädchen!
RECHA.
Vor wem? erröten? …
SALADIN. Kleine
Heuchlerin!
Nun, so erblasse lieber! - Wie du willst
Und
kannst!
-
(Eine Sklavin tritt herein und nahet sich Sittah.)
Sie sind doch etwa nicht schon da?
SITTAH. (zur
Sklavin)
Gut! laß sie nur herein. - Sie sind es, Bruder!
LETZTER
AUFTRITT
Nathan und der Tempelherr zu den Vorigen.
SALADIN.
Ah, meine guten lieben Freunde! - Dich,
Dich, Nathan, muß ich nur vor allen Dingen
Bedeuten, daß du nun, sobald du willst,
Dein Geld kannst wieder holen lassen! …
NATHAN.
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