Nathan der Weise
– Liebe Daja, das ist kein
Gespräch, womit wir unserm Freund’ am besten
Entgegensehn. Für mich zwar, ja! Denn mir,
1600
Mir liegt daran unendlich, ob auch er …
Horch, Daja! – Kommt es nicht an unsre Türe?
Wenn Er es wäre! horch!
Zweiter Auftritt
RECHA. DAJA
und der
TEMPELHERR ,
dem jemand von außen die Türe öffnet, mit den Worten:
Nur hier herein!
RECHA
(fährt zusammen, fasst sich, und will ihm zu Füßen fallen)
. Er ist’s – Mein Retter, ah!
TEMPELHERR . Dies zu vermeiden
Erschien ich bloß so spät: und doch –
RECHA . Ich will
Ja zu den Füßen dieses stolzen Mannes
Nur Gott noch einmal danken; nicht dem Manne.
Der Mann will keinen Dank; will ihn so wenig
Als ihn der Wassereimer will, der bei
Dem Löschen so geschäftig sich erwiesen.
1610
Der ließ sich füllen, ließ sich leeren, mir
Nichts, dir nichts: also auch der Mann. Auch der
Ward nun so in die Glut hineingestoßen;
Da fiel ich ungefähr ihm in den Arm;
Da blieb ich ungefähr, so wie ein Funken
Auf seinem Mantel, ihm in seinen Armen;
Bis wiederum, ich weiß nicht was, uns beide
Herausschmiss aus der Glut. – Was gibt es da
Zu danken? – In Europa treibt der Wein
Zu noch weit andern Taten. – Tempelherren,
1620
Die müssen einmal nun so handeln; müssen
Wie etwas besser zugelernte Hunde,
Sowohl aus Feuer, als aus Wasser holen.
TEMPELHERR
(der sie mit Erstaunen und Unruhe die Zeit über betrachtet)
. O Daja, Daja! Wenn in Augenblicken
Des Kummers und der Galle, meine Laune
Dich übel anließ, warum jede Torheit,
Die meiner Zung’ entfuhr, ihr hinterbringen?
Das hieß sich zu empfindlich rächen, Daja!
Doch wenn du nur von nun an, besser mich
Bei ihr vertreten willst.
DAJA . Ich denke, Ritter,
1630
Ich denke nicht, dass diese kleinen Stacheln,
Ihr an das Herz geworfen, Euch da sehr
Geschadet haben.
RECHA . Wie? Ihr hattet Kummer?
Und wart mit Euerm Kummer geiziger
Als Euerm Leben?
TEMPELHERR . Gutes, holdes Kind! –
Wie ist doch meine Seele zwischen Auge
Und Ohr geteilt! – Das war das Mädchen nicht,
Nein, nein, das war es nicht, das aus dem Feuer
Ich holte. – Denn wer hätte die gekannt,
Und aus dem Feuer nicht geholt? Wer hätte
1640
Auf mich gewartet? – Zwar – verstellt – der Schreck
(Pause, unter der er, in Anschauung ihrer, sich wie verliert.)
RECHA . Ich aber find Euch noch den Nämlichen. –
(Dergleichen; bis sie fortfährt, um ihn in seinem Anstaunen zu unterbrechen.)
Nun, Ritter, sagt uns doch, wo Ihr so lange
Gewesen? – Fast dürft ich auch fragen: wo
Ihr itzo seid?
TEMPELHERR . Ich bin, – wo ich vielleicht
Nicht sollte sein. –
RECHA . Wo Ihr gewesen? – Auch
Wo Ihr vielleicht nicht solltet sein gewesen?
Das ist nicht gut.
TEMPELHERR . Auf – auf – wie heißt der Berg?
Auf Sinai.
RECHA . Auf Sinai? – Ah schön!
Nun kann ich zuverlässig doch einmal
Erfahren, ob es wahr …
1650
TEMPELHERR . Was? was? Ob’s wahr,
Dass noch daselbst der Ort zu sehn, wo Moses
Vor Gott gestanden, als …
RECHA . Nun das wohl nicht.
Denn wo er stand, stand er vor Gott. Und davon
Ist mir zur G’nüge schon bekannt. – Ob’s wahr,
Möcht ich nur gern von Euch erfahren, dass –
Dass es bei weitem nicht so mühsam sei,
Auf diesen Berg hinaufzusteigen, als
Herab? – Denn seht; so viel ich Berge noch
Gestiegen bin, war’s just das Gegenteil. –
1660
Nun, Ritter? – Was? – Ihr kehrt Euch von mir ab?
Wollt mich nicht sehn?
TEMPELHERR . Weil ich Euch hören will.
RECHA . Weil Ihr mich nicht wollt merken lassen, dass
Ihr meiner Einfalt lächelt; dass Ihr lächelt,
Wie ich Euch doch so gar nichts Wichtigers
Von diesem heiligen Berg’ aller Berge
Zu fragen weiß? Nicht wahr?
TEMPELHERR . So muss
Ich doch Euch wieder in die Augen sehn. –
Was? Nun schlagt Ihr sie nieder? nun verbeißt
Das
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