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Nathan der Weise

Nathan der Weise

Titel: Nathan der Weise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Textausgabe + Lektüreschlüssel
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                                                  Diese Kälte
    Beginnt auch wohl ein neues Fieber nur.
    RECHA .
    1730
    Was Kält’? Ich bin nicht kalt. Ich sehe wahrlich
    Nicht minder gern, was ich mit Ruhe sehe.
Vierter Auftritt
    Szene: ein Audienzsaal in dem Palaste des Saladin.
    SALADIN
und
SITTAH .
    SALADIN
(im Hereintreten, gegen die Türe)
.
    Hier bringt den Juden her, sobald er kömmt.
    Er scheint sich eben nicht zu übereilen.
    SITTAH .
    Er war auch wohl nicht bei der Hand; nicht gleich
    Zu finden.
    SALADIN .         Schwester! Schwester!
    SITTAH .                                                    Tust du doch
    Als stünde dir ein Treffen vor.
    SALADIN .                                           Und das
    Mit Waffen, die ich nicht gelernt zu führen.
    Ich soll mich stellen ; soll besorgen lassen ;
    Soll Fallen legen; soll auf Glatteis führen.
    1740
    Wenn hätt ich das gekonnt? Wo hätt ich das
    Gelernt? – Und soll das alles, ah, wozu?
    Wozu? – Um Geld zu fischen; Geld! – Um Geld,
    Geld einem Juden abzubangen; Geld!
    Zu solchen kleinen Listen war ich endlich
    Gebracht, der Kleinigkeiten kleinste mir
    Zu schaffen?
    SITTAH .               Jede Kleinigkeit, zu sehr
    Verschmäht, die rächt sich, Bruder.
    SALADIN .                                                      Leider wahr. –
    Und wenn nun dieser Jude gar der gute,
    Vernünft’ge Mann ist, wie der Derwisch dir
    Ihn ehedem beschrieben?
    1750
    SITTAH .                                     O nun dann!
    Was hat es dann für Not! Die Schlinge liegt
    Ja nur dem geizigen, besorglichen,
    Furchtsamen Juden: nicht dem guten, nicht
    Dem weisen Manne. Dieser ist ja so
    Schon unser, ohne Schlinge. Das Vergnügen
    Zu hören, wie ein solcher Mann sich ausred’t;
    Mit welcher dreisten Stärk’ entweder, er
    Die Stricke kurz zerreißet; oder auch
    Mit welcher schlauen Vorsicht er die Netze
    1760
    Vorbei sich windet: dies Vergnügen hast
    Du obendrein.
    SALADIN .                Nun, das ist wahr. Gewiss;
    Ich freue mich darauf.
    SITTAH .                                So kann dich ja
    Auch weiter nichts verlegen machen. Denn
    Ist’s einer aus der Menge bloß; ist’s bloß
    Ein Jude, wie ein Jude: gegen den
    Wirst du dich doch nicht schämen, so zu scheinen
    Wie er die Menschen all sich denkt? Vielmehr;
    Wer sich ihm besser zeigt, der zeigt sich ihm
    Als Geck, als Narr.
    SALADIN .                        So muss ich ja wohl gar
    1770
    Schlecht handeln, dass von mir der Schlechte nicht
    Schlecht denke?
    SITTAH .                     Traun! wenn du schlecht handeln nennst,
    Ein jedes Ding nach seiner Art zu brauchen.
    SALADIN . Was hätt ein Weiberkopf erdacht, das er
    Nicht zu beschönen wüsste!
    SITTAH .                                           Zu beschönen!
    SALADIN . Das feine, spitze Ding, besorg ich nur,
    In meiner plumpen Hand zerbricht! – So was
    Will ausgeführt sein, wie’s erfunden ist:
    Mit aller Pfiffigkeit, Gewandtheit. – Doch,
    Mag’s doch nur, mag’s! Ich tanze, wie ich kann;
    1780
    Und könnt es freilich, lieber – schlechter noch
    Als besser.
    SITTAH .             Trau dir auch nur nicht zu wenig!
    ich stehe dir für dich! Wenn du nur willst. –
    Dass uns die Männer deinesgleichen doch
    So gern bereden möchten, nur ihr Schwert,
    Ihr Schwert nur habe sie so weit gebracht.
    Der Löwe schämt sich freilich, wenn er mit
    Dem Fuchse jagt: – des Fuchses, nicht der List.
    SALADIN . Und dass die Weiber doch so gern den Mann
    Zu sich herunter hätten! – Geh nur, geh! –
    1790
    Ich glaube meine Lektion zu können.
    SITTAH . Was? ich soll gehn?
    SALADIN .                                  Du wolltest doch nicht bleiben?
    SITTAH .
    Wenn auch nicht bleiben … im Gesicht euch bleiben –
    Doch hier im Nebenzimmer –
    SALADIN .                                           Da zu horchen?
    Auch das nicht, Schwester; wenn ich soll bestehn. –
    Fort, fort! der Vorhang rauscht; er kömmt! – doch dass
    Du ja nicht da verweilst! Ich sehe nach.
    (Indem sie sich durch die eine Türe entfernt, tritt

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