Nathan der Weise
die
Er dargestellt? – Ach! Rechas wahrer Vater
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Bleibt, trotz dem Christen, der sie zeugte – bleibt
In Ewigkeit der Jude. – Wenn ich mir
Sie lediglich als Christendirne denke,
Sie sonder alles das mir denke, was
Allein ihr so ein Jude geben konnte: –
Sprich, Herz, – was war an ihr, das dir gefiel?
Nichts! Wenig! Selbst ihr Lächeln, wär es nichts
Als sanfte schöne Zuckung ihrer Muskeln;
Wär, was sie lächeln macht, des Reizes unwert,
In den es sich auf ihrem Munde kleidet: –
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Nein; selbst ihr Lächeln nicht! Ich hab es ja
Wohl schöner noch an Aberwitz, an Tand,
An Höhnerei, an Schmeichler und an Buhler,
Verschwenden sehn! – Hat’s da mich auch bezaubert?
Hat’s da mir auch den Wunsch entlockt, mein Leben
In seinem Sonnenscheine zu verflattern? –
Ich wüsste nicht. Und bin auf den doch launisch,
Der diesen höhern Wert allein ihr gab?
Wie das? warum? – Wenn ich den Spott verdiente,
Mit dem mich Saladin entließ! Schon schlimm
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Genug, dass Saladin es glauben konnte!
Wie klein ich ihm da scheinen musste! wie
Verächtlich! – Und das alles um ein Mädchen? –
Curd! Curd! das geht so nicht. Lenk ein! Wenn vollends
Mir Daja nur was vorgeplaudert hätte,
Was schwerlich zu erweisen stünde? – Sieh,
Da tritt er endlich, in Gespräch vertieft,
Aus seinem Hause! – Ha! mit wem! – Mit ihm?
Mit meinem Klosterbruder? – Ha! so weiß
Er sicherlich schon alles! ist wohl gar
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Dem Patriarchen schon verraten! – Ha!
Was hab ich Querkopf nun gestiftet! – Dass
Ein einz’ger Funken dieser Leidenschaft
Doch unsers Hirns so viel verbrennen kann! –
Geschwind entschließ dich, was nunmehr zu tun!
Ich will hier seitwärts ihrer warten; – ob
Vielleicht der Klosterbruder ihn verlässt.
Vierter Auftritt
NATHAN
und der
KLOSTERBRUDER .
NATHAN
(im Näherkommen)
.
Habt nochmals, guter Bruder, vielen Dank!
KLOSTERBRUDER . Und Ihr desgleichen!
NATHAN . Ich? von Euch? wofür?
Für meinen Eigensinn, Euch aufzudringen,
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Was Ihr nicht braucht? – Ja, wenn ihm Eurer nur
Auch nachgegeben hätt; Ihr mit Gewalt
Nicht wolltet reicher sein, als ich.
KLOSTERBRUDER . Das Buch
Gehört ja ohnedem nicht mir; gehört
Ja ohnedem der Tochter; ist ja so
Der Tochter ganzes väterliches Erbe. –
Je nu, sie hat ja Euch. – Gott gebe nur,
Dass Ihr es nie bereuen dürft, so viel
Für sie getan zu haben!
NATHAN . Kann ich das?
Das kann ich nie. Seid unbesorgt!
KLOSTERBRUDER . Nu, nu!
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Die Patriarchen und die Tempelherren …
NATHAN . Vermögen mir des Bösen nie so viel
Zu tun, dass irgendwas mich reuen könnte:
Geschweige, das! – Und seid Ihr denn so ganz
Versichert, dass ein Tempelherr es ist,
Der Euern Patriarchen hetzt?
KLOSTERBRUDER . Es kann
Beinah kein andrer sein. Ein Tempelherr
Sprach kurz vorher mit ihm; und was ich hörte,
Das klang darnach.
NATHAN . Es ist doch aber nur
Ein einziger itzt in Jerusalem.
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Und diesen kenn ich. Dieser ist mein Freund.
Ein junger, edler, offner Mann!
KLOSTERBRUDER . Ganz recht;
Der Nämliche! – Doch was man ist, und was
Man sein muss in der Welt, das passt ja wohl
Nicht immer.
NATHAN . Leider nicht. – So tue, wer’s
Auch immer ist, sein Schlimmstes oder Bestes!
Mit Euerm Buche, Bruder, trotz ich allen;
Und gehe graden Wegs damit zum Sultan.
KLOSTERBRUDER .
Viel Glücks! Ich will Euch denn nur hier verlassen.
NATHAN . Und habt sie nicht einmal gesehn? – Kommt ja
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Doch bald, doch fleißig wieder. – Wenn nur heut
Der Patriarch noch nichts erfährt! – Doch was?
Sagt ihm auch heute, was Ihr wollt.
KLOSTERBRUDER . Ich nicht.
Lebt wohl!
(Geht ab.)
NATHAN . Vergesst uns ja nicht, Bruder! – Gott!
Dass ich nicht gleich hier unter freiem Himmel
Auf meine Kniee sinken kann! Wie sich
Der Knoten, der so oft mir bange machte,
Nun von sich selber löset! – Gott! wie leicht
Mir wird, dass ich
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