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Nathan der Weise

Nathan der Weise

Titel: Nathan der Weise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Textausgabe + Lektüreschlüssel
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                                                Ein braver Mann!
    Bei dem sich Recha gar nicht übel wird
    Befinden.
    3470
    TEMPELHERR . Doch ein Christ! – Ich weiß zuzeiten
    Auch gar nicht, was ich von Euch denken soll: –
    Nehmt mir’s nicht ungut, Nathan. – Wird sie nicht
    Die Christin spielen müssen, unter Christen?
    Und wird sie, was sie lange g’nug gespielt,
    Nicht endlich werden? Wird den lautern Weizen,
    Den Ihr gesät, das Unkraut endlich nicht
    Ersticken? – Und das kümmert Euch so wenig?
    Dem ungeachtet könnt Ihr sagen – Ihr? –
    Dass sie bei ihrem Bruder sich nicht übel
    Befinden werde?
    3480
    NATHAN .                   Denk ich! hoff ich! – Wenn
    Ihr ja bei ihm was mangeln sollte, hat
    Sie Euch und mich denn nicht noch immer?
    TEMPELHERR .                                                             Oh!
    Was wird bei ihm ihr mangeln können! Wird
    Das Brüderchen mit Essen und mit Kleidung,
    Mit Naschwerk und mit Putz, das Schwesterchen
    Nicht reichlich g’nug versorgen? Und was braucht
    Ein Schwesterchen denn mehr? – Ei freilich: auch
    Noch einen Mann! – Nun, nun; auch den, auch den
    Wird ihr das Brüderchen zu seiner Zeit
    3490
    Schon schaffen; wie er immer nur zu finden!
    Der Christlichste der Beste! – Nathan, Nathan!
    Welch einen Engel hattet Ihr gebildet,
    Den Euch nun andre so verhunzen werden!
    NATHAN . Hat keine Not! Er wird sich unsrer Liebe
    Noch immer wert genug behaupten.
    TEMPELHERR .                                                Sagt
    Das nicht! Von
meiner
Liebe sagt das nicht!
    Denn die lässt nichts sich unterschlagen; nichts.
    Es sei auch noch so klein! Auch keinen Namen! –
    Doch halt! – Argwohnt sie wohl bereits, was mit
    Ihr vorgeht?
    3500
    NATHAN .            Möglich; ob ich schon nicht wüsste,
    Woher?
    TEMPELHERR .   Auch eben viel; sie soll – sie muss
    In beiden Fällen, was ihr Schicksal droht,
    Von mir zuerst erfahren. Mein Gedanke,
    Sie eher wieder nicht zu sehn, zu sprechen,
    Als bis ich sie die Meine nennen dürfe,
    Fällt weg. Ich eile. . .   
    NATHAN .                            Bleibt! wohin?
    TEMPELHERR .                                               Zu Ihr!
    Zu sehn, ob diese Mädchenseele Manns genug
    Wohl ist, den einzigen Entschluss zu fassen
    Der ihrer würdig wäre!
    NATHAN .                              
Welchen
?
    TEMPELHERR .                                        Den:
    3510
    Nach Euch und ihrem Bruder weiter nicht
    Zu fragen –
    NATHAN .           Und?
    TEMPELHERR .            Und mir zu folgen; – wenn
    Sie drüber eines Muselmannes Frau
    Auch werden müsste.
    NATHAN .                             Bleibt! Ihr trefft sie nicht.
    Sie ist bei Sittah, bei des Sultans Schwester.
    TEMPELHERR . Seit wenn? warum?
    NATHAN .                                          Und wollt Ihr da bei ihnen
    Zugleich den Bruder finden: kommt nur mit.
    TEMPELHERR . Den Bruder? welchen? Sittahs oder Rechas?
    NATHAN .
    Leicht beide. Kommt nur mit! Ich bitt Euch, kommt!
    (Er führt ihn fort.)
Sechster Auftritt
    Szene: in Sittahs Harem.
    SITTAH
und
RECHA
in Unterhaltung begriffen
.
    SITTAH . Was freu ich mich nicht deiner, süßes Mädchen! –
    3520
    Sei so beklemmt nur nicht! so angst! so schüchtern! –
    Sei munter! sei gesprächiger! vertrauter!
    RECHA . Prinzessin …
    SITTAH .                           Nicht doch! Prinzessin! Nenn
    Mich Sittah, – deine Freundin, – deine Schwester.
    Nenn mich dein Mütterchen! – Ich könnte das
    Ja schier auch sein. – So jung! so klug! so fromm!
    Was du nicht alles weißt! nicht alles musst
    Gelesen haben!
    RECHA .                   Ich gelesen? – Sittah,
    Du spottest deiner kleinen albern Schwester.
    Ich kann kaum lesen.
    SITTAH .                               Kannst kaum, Lügnerin!
    3530
    RECHA . Ein wenig meines Vaters Hand! – Ich meinte,
    Du sprächst von Büchern.
    SITTAH .                                     Allerdings! von Büchern.
    RECHA . Nun, Bücher wird mir wahrlich schwer zu lesen!

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