Nathan King - der Rinderbaron
Sonnenaufgang mitzubekommen?”, fragte er spöttisch.
“Ganz bestimmt.”
“Tut mir leid, dass ich dich eben so sang- und klanglos in den Hubschrauber gesetzt habe, aber die Zeit drängte. Die Natur wartet nicht. Wenn wir sie für unsere Zwecke nutzen wollen, müssen wir uns nach ihrem Diktat richten.”
Was für eine zweideutige Entschuldigung! Aber Nathan irrte sich gewaltig, wenn er glaubte, sie würde sich auch in sexueller Hinsicht nach dem Diktat der Natur richten! “Ich habe nicht um die Verzögerung unseres Abflugs gebeten, Nathan”, erwiderte sie spitz.
“Richtig.” Seine Augen blitzten amüsiert. “Aber eine ganze Weile hast du auch nicht protestiert … was uns ein vielversprechendes Feld für die Zukunft eröffnet, oder?”
“Nur, wenn man den Wunsch verspürt, es zu erkunden”, entgegnete sie eisig.
“Von meiner Seite sehe ich da kein Problem”, sagte er ungerührt. “Siehst du etwa eines?”
“Wohin könnte denn deiner Ansicht nach eine solche Erkundung führen?”, fragte sie nun ihrerseits spöttisch.
“Nun …”, er tat, als würde er angestrengt nachdenken, “… der Beginn deutete etwas Besonderes zwischen uns an. Jetzt streust du eine Prise Geheimnis hinein. Aufregend ist es allemal … Wer kann schon sagen, was daraus wird?”
Er machte sich über sie lustig, verspottete sie wegen ihrer möglichen Bedenken gegenüber einer Affäre, deren Ende offen war. Nur, dass Miranda dieses Ende nicht als offen betrachtete. Sie wusste ganz genau, wie eine solche Affäre ausgehen würde.
“Das klingt ja recht romantisch. Nur wissen wir beide ganz genau, dass es mit Romantik nichts zu tun haben wird. Ich wette, du malst dir im Moment eine bequeme Affäre für die Dauer von zwei Jahren aus. Aber ich sage dir hier und jetzt …”, ihre Stimme wurde hart, “… ich werde das Spiel nicht mitspielen.”
“Spiel?”
Der ungläubige Ton, in dem Nathan das Wort wiederholte, weckte flüchtige Zweifel in Miranda. Hatte sie sich durch ihre Ängste verleiten lassen, seine Absichten zu krass zu deuten?
Angstvoll beobachtete sie den raschen Wechsel in Nathans Gesichtsausdruck: Ungläubigkeit, Skepsis, Abscheu. Er konnte doch unmöglich etwas Ernstes mit ihr im Sinn gehabt haben, oder? Nein, es gefiel ihm nur nicht, dass seine zweifelhaften Motive so unverblümt aufgedeckt worden waren. Vermutlich war es eine völlig neue Erfahrung für ihn, so freiheraus von einer Frau zurückgewiesen zu werden.
Ehe aber einer von ihnen etwas sagen konnte, wurden sie durch ein Rufen unterbrochen. Sie drehten sich gleichzeitig um und sahen einen schlanken, bärtigen Mann, der auf sie zukam und ihnen grüßend zuwinkte. Insgeheim war Miranda froh über diese Störung, die ihr eine Atempause in ihrer Auseinandersetzung mit Nathan King verschaffte.
Miranda schätzte den Neuankömmling auf Anfang dreißig. Er betrachtete sie neugierig, als Nathan sie einander vorstellte. “Jim Hoskins, der Chef der Parkranger. Miranda Wade, die neue Managerin in ‘King’s Eden’.”
Freundlich lächelnd schüttelte Miranda Jim die Hand. Ehe sie jedoch ein Wort mit ihm wechseln konnte, nahm Nathan seine Aufmerksamkeit in Anspruch, indem er einige Bücher aus seinem Rucksack holte. “Hier sind die Tagebücher, Jim. Passen Sie gut darauf auf, ja?”
Der Parkranger nahm die alten Handschriften fast ehrfürchtig entgegen. “Ich bin Ihnen sehr zu Dank verpflichtet, Nathan, und werde die Bücher mit größter Sorgfalt behandeln. Es ist schwer, historische Aufzeichnungen über diese Gegend zu bekommen.”
“Persönliche Tagebücher geben nicht unbedingt historische Fakten wieder”, warnte Nathan ihn. “Gut möglich, dass die Aborigines meiner Urgroßmutter ganz schöne Märchen aufgetischt haben. Es war nicht üblich, Weiße in Stammesgeheimnisse einzuweihen.”
“Na ja, interessant werden die Geschichten auf jeden Fall sein. Kommen Sie”, Jim deutete zum Haus, “ich mache Ihnen einen Tee oder Kaffee.” Er lächelte Miranda an. “Sind Sie zum ersten Mal hier?”
“Ja. Es ist ein erstaunlicher Ort.”
“Leider haben wir nicht viel Zeit, Jim”, mischte sich Nathan wieder ein. “Ich habe Miranda versprochen, ihr die Cathedral-Schlucht zu zeigen und sie bis zum Mittag wieder im Ferienpark abzusetzen. Sie kann es kaum erwarten, sich hier umzusehen, deshalb müssen wir Ihre freundliche Einladung leider ausschlagen. Ich habe selber eine Thermoskanne Kaffee dabei.”
Damit hatte er den Parkranger geschickt
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