Nathan King - der Rinderbaron
betätigen.
Miranda setzte sich die Kopfhörer auf, sagte jedoch kein Wort. Sie würde erst mit ihm reden, wenn sie sich beruhigt hatte und ihre Worte mit Sorgfalt auswählen konnte. Entschlossen, Nathan für die Dauer des Fluges zu ignorieren, wandte sie den Blick zum Seitenfenster hinaus. Sie war hier, um sich die Landschaft anzusehen, die Gegend, die sie ihren Gästen empfehlen würde … und genau das würde sie tun.
Doch auch, als sie in der Luft waren und Miranda auf die scheinbar unendliche Weite gelbbraunen Grases, hier und da durchsetzt vom Grün der kleinen Outback-Bäume, blickte, blieben ihre Nerven zum Zerreißen gespannt. Sie wartete darauf, dass Nathan etwas sagte, und sie hasste die Vorstellung, dass er sich vielleicht insgeheim gratulierte, ihr diesen Kuss entlockt zu haben, und für die Zukunft womöglich noch mehr von ihr erwartete.
“Du wirst den Anflug auf die Range verpassen, wenn du weiter zum Seitenfenster hinausblickst, Miranda.”
Der Klang seiner Stimme über die Kopfhörer riss sie aus ihren Grübeleien.
“Dort, direkt vor uns beginnt die Bungle Bungle Range.”
Sein sachlicher Ton machte es ihr leichter. Und als sie in die angegebene Richtung blickte, vergaß sie erst einmal alles andere, überwältigt von dem Ausblick, der sich vor ihr eröffnete.
Sie hatte Fotos vom Ayers Rock gesehen, einem gewaltigen Monolithen, der sich aus einer endlosen Ebene erhebt. Die Bungle Bungle Range weckte in dem Betrachter dasselbe Gefühl, irgendwie nicht in diese Landschaft zu gehören. Sie wirkte wie die uralten Relikte einer verlorenen Zivilisation, die Verkörperung von Geheimnissen, deren Lösung keiner mehr kannte.
Die Fotos in der Touristenbroschüre hatten dieses Wunder in all seiner Größe und Faszination nicht einfangen können. Scheinbar aus dem Nichts erhob sich vor dem Auge des Betrachters eine gewaltige Ansammlung von massiven Felsformationen, horizontal orange und schwarz gestreift. Das Licht der aufgehenden Sonne brachte das Orange zum Leuchten und ließ den Kontrast zu den schwarzen Bereichen noch krasser wirken.
Miranda hatte in der Broschüre die geologischen Erklärungen für die auffälligen Farben und Formen gelesen. Dennoch schienen die Streifen so gleichmäßig, wie von Künstlerhand entworfen, und einige der massiven Felsgewölbe am Rand der Formation wirkten durch ihre eigentümliche Maserung wie gemauerte Bauten … wie Pyramiden, deren scharfe Ecken und Kanten über Jahrtausende hinweg abgetragen worden waren. Natürlich ließ sich das Expertenwissen nicht ignorieren – all das war solider Sandstein, und die gesamte Formation war dreihundertfünfzig Millionen Jahre alt. Trotzdem drängte sich Miranda die Vorstellung von uralten Herrschern auf, die in diesen Felsgewölben begraben lagen.
“Genug? Oder willst du noch mehr sehen?”, fragte Nathan sie.
“Noch mehr, bitte”, antwortete sie sofort.
Nathan flog im Zickzack über die Range, sodass Miranda sie von allen Seiten bestaunen konnte. Sie blickte auf enge Schluchten, die, wie sie wusste, das Wasser in den Fels gegraben hatte, doch die Felswände waren stellenweise so glatt, dass sich der Eindruck von engen Straßen tief unten zwischen versteinerten, fensterlosen Wolkenkratzern aufdrängte – ein unglaubliches Wunderwerk der Natur.
“Es wird Zeit, dass wir landen, wenn wir unseren Zeitplan einhalten wollen”, sagte Nathan schließlich.
“In Ordnung.” Miranda war klar, dass er das alles schon unzählige Male gesehen und nur ihr zuliebe die zusätzlichen Runden über die Range geflogen hatte. Glaubte er vielleicht, sie würde später zugänglicher sein, wenn er ihr diesen Gefallen tat?
Nathan landete den Hubschrauber in der Nähe einer Gruppe von Gebäuden jenseits des Massivs, dem Hauptquartier der Parkrangers, wie Miranda vermutete. Sie löste ihren Sicherheitsgurt, nahm die Kopfhörer ab und kletterte aus dem Hubschrauber, bevor Nathan den großen Macho spielen und ihr beim Aussteigen helfen konnte.
Nachdem er ebenfalls ausgestiegen war, kam er um den Hubschrauber herum. “Du hast deinen Hut und deine Tasche vergessen.”
“Danke.” Miranda nahm die Sachen entgegen, verärgert, dass sie in ihrer Hast nicht selber daran gedacht hatte. “Es sah aus der Luft schon so fantastisch aus, dass ich es gar nicht erwarten kann, es vom Boden aus genauer anzusehen”, fügte sie hinzu, denn er sollte nicht denken, dass er der Grund für ihre Eile gewesen sei.
“Es hat sich also gelohnt, den
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