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"Natürlich kann geschossen werden": Eine kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

"Natürlich kann geschossen werden": Eine kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: "Natürlich kann geschossen werden": Eine kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Sontheimer
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Als Visionär des Computerzeitalters sorgte er auch dafür, dass das aufwändige Inpol-System - Datensammlungen, auf die Polizisten aller Bundesländer zugreifen konnten - schnell aufgebaut wurde.

    Herold brachte bald nicht nur für Großfahndungen die Befehlsgewalt über die Polizei aller Bundesländer an sich, sondern sicherte sich auch Agenten vom Auslandsgeheimdienst BND für Observationen. Die RAF war für das BKA ein gewaltiges Arbeitsbeschaffungsprogramm. Die Zahl der Mitarbeiter sollte in den nächsten zehn Jahren von 1113 auf über 3000, das Budget von 55 auf 290 Millionen Mark im Jahr steigen. 8

    Politiker nannten die RAF - um sie nicht als politisch motivierte Gruppe anzuerkennen - stets »Baader-Meinhof-Gruppe«. Konservative und die Springer-Blätter zogen die Bezeichnung »Baader-Meinhof-Bande« vor. Sie mieden eine Diskussion darüber, warum intelligente junge Menschen aus der Mitte der Gesellschaft den Staat mit Waffengewalt zerstören wollten. Als Erklärungsversuche wurden höchstens psychologische Dispositionen bemüht - beispielsweise das vaterlose Aufwachsen von Baader und Meinhof.

    Horst Herold allerdings war für diese eindimensionale Sicht zu klug. »Der Terrorismus«, erklärte der BKA-Präsident, »reflektiert lediglich die Probleme, die objektiv bestehen.« Der BKA-Chef war der Einzige auf der Seite des Staates, der eine eigene Hypothese für die Entstehung der RAF entwickelte. Seit der Geburt des modernen Terrorismus im Russland des späten 19. Jahrhunderts, meinte er, sei das Auftauchen solcher Gruppen wie ein Wetterleuchten, das große historische Umbrüche ankündige. Im Nachhinein betrachtet war die RAF für Herold die Vorbotin der globalen Vorherrschaft des Kapitalismus, die sich nach dem Kollaps des sozialistischen Lagers im Jahr 1990 etablierte. 9

    Terroristische Gruppen sind gewöhnlich aufgrund ihrer Gewalt gefürchtet. Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, dass bei einer Umfrage des Allensbach-Institutes im März 1971 jeder siebte Befragte nicht ausschließen wollte, dass er ein Mitglied der Gruppe für eine Nacht beherbergen würde, um es vor der Polizei zu schützen. Bei einer anderen Umfrage Ende 1971 billigten 40 Prozent der Befragten der RAF politische Motive zu, 43 sprachen sie ihr ab.

    Brigitte Mohnhaupt sagte später aus, die RAF habe Anfang 1972 über acht Gruppen in sechs Städten verfügt. Diese seien in das »Logistiksystem integriert« gewesen und hätten Aktionen gemeinsam diskutiert, »aber waren autonom in ihrer Entscheidung über die operative Durchführung«. Dies hört sich wohlorganisiert an, doch in Wahrheit musste die Gruppe ständig improvisieren und war politisch isoliert. Den Linksradikalen, aus deren Szene die RAF-Kader kamen, waren sie als »Leninisten mit Knarre« von Anfang an suspekt. Nach den großspurigen Erklärungen des Jahres 1971 machten sie inzwischen vor allem damit Schlagzeilen, dass sie Banken überfielen. Um nicht die letzten Sympathisanten zu verlieren, musste die RAF endlich politische Aktionen starten.

    Anfang des Jahres 1972 bezog die Führungsgruppe - Baader, Ensslin, Meins und Raspe - in Frankfurt eine Wohnung in einem anonymen Neubaukomplex. Meins kontaktierte einen Bekannten, einen freischaffenden Metallbildner. Der bekam den Decknamen »Pfirsich« und schweißte - angeblich für Filmaufnahmen - Bombenhülsen zusammen. Als Anleitung für die Produktion des Sprengstoffs diente das »Anarchist Cookbook« aus den USA, das sich nicht an libertäre Gourmets wandte, sondern Rezepte für Explosiva und Bastelanleitungen für Bomben enthielt. 10 Verschiedene Komponenten des Sprengstoffs wie Ammoniumnitrat und Kaliumnitrat mussten zu feinem Pulver gemahlen werden. Tagelang saßen die RAF-Kader vor kleinen elektrischen Kaffeemühlen, von denen an die zehn heiß liefen und den Dienst versagten. Nach der Aussage des inoffiziellen Kronzeugen Gerhard Müller, der den Großteil der Chemikalien für den Sprengstoff besorgt hatte, leitete die Gruppe ihre lange vorbereitete Offensive dann spontan ein.

    Nachdem sie im Radio hörten, US-Präsident Richard Nixon lasse nordvietnamesische Häfen verminen, fuhren - laut Müllers Aussagen - Raspe und Ensslin am 11. Mai 1972 in Frankfurt zum Hauptquartier des V. US-Korps und erkundeten die Lage. Nur wenige Stunden später explodierten zwei Bomben am Eingang des einstigen Sitzes der I. G. Farben und eine weitere am Offizierskasino. Der Oberstleutnant Paul A. Bloomquist wurde durch Metallsplitter

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