Naturgeschichte(n)
klar:
Die in den » Roten Listen« in der Kategorie » ausgestorben« geführten Arten sind nicht wirklich ausgestorben, sondern lediglich aus dem Gültigkeitsbereich der betreffenden Liste verschwunden. Es gibt diese Arten anderswo noch, und zwar meistens in jenen Regionen, die auch ihr eigentliches Hauptverbreitungsgebiet sind. Die einzige Ausnahme macht die » Weltliste« der Internationalen Naturschutzunion IUCN. Die in dieser Liste als ausgestorben geführten Arten gibt es tatsächlich (höchstwahrscheinlich, denn immer wieder werden verschollene Arten wiederentdeckt) nicht mehr, und was dort als vom Aussterben bedroht geführt wird, ist in höchster Gefahr. Gefährdet, aber noch nicht unmittelbar vom Aussterben bedroht, sind viel mehr Arten. So zum Beispiel über 1000 Vogelarten, was zehn Prozent aller lebenden Vogelarten bedeutet.
Die Zahl der aussterbenden Arten geht schon seit 100 Jahren zurück. Im ersten Jahrzehnt des 21 . Jahrhunderts starb wahrscheinlich keine der in der Weltliste der gefährdeten Arten mehr aus. Das ist ein großer Erfolg des Artenschutzes. Der weitaus größte Teil der Arten, deren Ausrottungsgeschichte wir kennen, verschwanden zwischen dem 16 . und 19 . Jahrhundert, als die Europäer den Globus eroberten und ausbeuteten. Die Vernichtung traf sogar Arten, die es in Hunderten von Millionen Exemplaren gab, wie die nordamerikanische Wandertaube. Beinahe wären dieser großen Vernichtungswelle auch die großen Wale zum Opfer gefallen. Bekannte Beispiele für die Ausrottung in dieser Zeit sind die Dronte von Mauritius, auch Dodo genannt, und das Kapzebra, das Quagga. Noch weiter zurückliegenden Ausrottungen betrafen die Elefantenvögel von Madagaskar, die Moas von Neuseeland und das Urrind, den Auerochsen. Noch mehr, vor allem große Tiere, rotteten die Menschen aus, als sie Amerika besiedelten. Plagt uns ein spätes schlechtes Gewissen? Wir Europäer hätten gute Gründe dafür, es zu verspüren.
Dennoch gibt es aller Wahrscheinlichkeit nach ein Artensterben in unserer Zeit, dessen Ausmaß wir allerdings nicht kennen. Es als die » Sechste Auslöschung« zu bezeichnen, dürfte allerdings stark übertrieben sein. Gemeint ist mit diesem Ausdruck, dass die Ausrottungswirkung des Menschen den fünf großen erdzeitlichen kosmischen Katastrophen gleichkommt oder diese sogar noch übertrifft. Ausgelöst hatten diese Katastrophen Einschläge von Riesenmeteoriten, die den Himmel mit Staub und Asche verdunkelten, was den Pflanzen das Licht nahm, und mit Schwefelsäure und anderen giftigen Substanzen das Kleinleben im Meer tötete oder so stark veränderte, dass die Versorgung für die größeren Tiere zusammenbrach. Bis zu 90 Prozent aller Arten vernichteten solche kosmischen Katastrophen. Die bekannteste davon fand vor 65 Millionen Jahren statt. Ihr fielen die Dinosaurier und viele andere Großtiere zum Opfer. Damit lässt sich das gegenwärtige Artensterben gewiss nicht vergleichen. Im Hinblick auf die Großtiere ist es zudem schon vorüber. Wie können dann seriöse Wissenschaftler und Naturschützer von einem mit derartigen Naturkatastrophen wie dem Aussterben der Dinosaurier vergleichbaren Artensterben sprechen? Die Begründung ist einfach und durchaus verständlich. Gemeint sind die vielen kleinen, noch weitestgehend unbekannten Arten, die wahrscheinlich deswegen aussterben, weil ihre Lebensräume vernichtet werden. Es ist das unbekannte Artensterben, das durchaus begründeten Anlass zur Besorgnis gibt. Um dies zu verstehen, muss nun etwas weiter ausgeholt werden.
Seit dem 18 . Jahrhundert versuchten Zoologen, Botaniker und später auch Mikrobiologen, den Artenbestand der Erde zu erfassen. In der zwölften Auflage seines grundlegenden Werkes über das System der Tiere und Pflanzen (und Mineralien) Systema naturae listete der Schwede Carl von Linné im Jahre 1768 etwa 7700 verschiedene Arten von Pflanzen und 6200 von Tieren auf.
Er gab ihnen allen einen Gattungs- und einen Artnamen. So heißt der Haussperling Passer domesticus und sein Vetter, der Feldsperling, mit dem schwarzen Wangenfleck im weiß gefiederten Bäckchen, Passer montanus. Passer ist die Gattung der Sperlinge, zu der noch weitere Arten gehören. Domesticus und montanus sind die Artnamen für den Haus- und den Feldsperling . Sie gelten in China und Amerika wie bei uns, weil man sich darauf geeinigt hat, mit diesem von Linné entwickelten System alle Lebewesen zu benennen.
Der hohen Meinung, die der Forscher von uns hatte,
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