Naturgeschichte(n)
mehr gebraucht zur Lösung von Problemen im Umgang der Menschen mit Tieren. In diesem Bereich liegt, und zwar nicht nur beim Stallvieh, wenngleich hier ganz besonders schwerwiegend, sehr vieles im Argen.
» Genfreie Zone« rühmen sich gern jene Landkreise, die sich an der Massenviehhaltung nicht stören. » Gene« sind nicht » in« zurzeit, Billigfleisch schon. Gäbe es den » gläsernen Stall«, er würde den Menschen die Augen öffnen. Oder aber zum Wegsehen veranlassen, wie bei körperlich Behinderten, denen man begegnet. Die meisten Menschen wollen das Übel in der Welt nicht sehen. Sie ergötzen sich lieber an den Produkten der Fiktion mit Computerspielen und Gruselfilmen. Früher waren das die zur Schau gestellten Monstrositäten und die grauslichen Erzählungen von Ungeheuern, halb Mensch, halb Tier. Was doppelt schlimm ausfallen musste, weil es natürlich nicht die guten Seiten waren, die da zusammenkamen.
Das Maultier
und der Blumenkohl
Ist eigentlich alles
»genetisch verändert«?
Gentechnisch veränderter Mais ist in Deutschland verboten worden. Mit der Gentechnik greift der Mensch in die Evolution ein. Schließlich werden mit der Einschleusung fremder Gene die Artgrenzen überschritten. Drohen uns neuartige Monster? Mischwesen der neuen Art, die zwar nicht den Schrecken des Werwolfs verbreiten, aber doch äußerst skeptisch stimmen?
Was gegenwärtig in der Landwirtschaft passiert, ist in der Tat gefährlich, aber in ganz anderer Hinsicht als etwa der wilde Minotaurus. Die Landwirtschaft verursacht die mit Abstand bedeutendsten Veränderungen in der Natur der Erde. Auf ihr Konto geht die großflächige Vernichtung der Tropenwälder, die Überdüngung der Böden mit Folgen für die Pflanzen- und Tierwelt, die Belastung des Trinkwassers mit Rückständen aus Düngestoffen und Pflanzenschutzmitteln, und sie ist zudem die Hauptquelle für Treibhausgase. Die schlimmsten Infektionskrankheiten, die den Menschen heimsuchen, entstanden in den Massentierhaltungen. Die heftigen Diskussionen um gentechnisch veränderte Pflanzen lenken geradezu perfekt von den wirklichen Problemen ab.
Der große Rest der Welt stellt bei der sogenannten Grünen Gentechnik die Vorteile den Risiken gegenüber und urteilt vernünftiger. Würde das » Genetische«, das hierzulande so umstritten ist, den Diskutierenden überhaupt klar sein, müssten sie als Erstes den Mais komplett aus unserem Land verbannen. Denn er ist keine Naturpflanze, sondern die Verbindung unterschiedlicher Gene aus zwei verschiedenen Ausgangspflanzenarten, von denen die eine, Teosinte, sicher ausreichend bekannt ist. Mais ist ein Kunstprodukt, dessen Zustandekommen allerdings Jahrhunderte, wenn nicht gar Jahrtausende lang gedauert hatte. Er ist ein Fremdling aus Mittelamerika und gehörte also, um der gestrengen Ansicht von Naturschützern zu folgen, die so sehr gegen die Grüne Gentechnik aufbegehren, auch nicht hierher nach Europa.
Allerdings trifft das auch für den Weizen und die anderen bei uns angebauten Getreidesorten zu. Sie alle sind genetisch verändert – züchterisch, nur nicht » technisch« –, und sie stammen nicht von unserer Flur, sondern aus einer Region, die vor Kurzem noch » Reich des Bösen« genannt worden war. Eigentlich müssten wir uns mit Kohl und Rüben zufrieden geben; allerdings mit den einfachen Formen und nicht mit solchen genetischen Missbildungen wie Blumenkohl. Und die Hunde in ihrer züchterischen Vielfalt sollten wieder zurück in den alten Wolfspelz, von dem sie abstammen? Der Hochleistungsmilchkuh ( » Turbokuh«), die mit ihrem Rieseneuter kaum noch gehen kann, käme es als Akt der tierschutzgerechten Menschlichkeit zugute, wenn sie wieder normal Milch geben und ihr Kälbchen versorgen dürfte. Die Gene für die exorbitant gesteigerte Milchleistung gehören einfach raus aus der Kuh.
Der Einwand, dass die züchterische Veränderung ja nur innerhalb der Art geschehen sei, hört sich fürs Erste zwar gut an, trifft aber, wie schon beim Mais ausgeführt, keineswegs so selbstverständlich zu, wie der Anschein erweckt wird. Aus Kreuzungen verschiedener Arten gingen manche der sehr geschätzten Zitrusfrüchte hervor. Die meisten Apfelsorten stammen von Klonen, Maultiere, von denen es mehrere Millionen gibt, die vor allem in schwierigem Gebirgsgelände den Menschen gute Dienste leisten und unter anderem auch in der Schweizer Armee eingesetzt werden, verdanken ihre Existenz (und Unfruchtbarkeit) Vater Esel und Mutter
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