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Naturgeschichte(n)

Naturgeschichte(n)

Titel: Naturgeschichte(n) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef H Reichholf
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Pferd. Was ja nun fraglos eine » Überschreitung der Artgrenzen« darstellt. Was beim Maultier und der anderen möglichen Kombination, dem Maulesel (Mutter Esel), dazu geführt hat, dass die Bastarde steril sind (nicht ausnahmslos, aber fast immer), ist bei vielen Pflanzen Methode. Ein Großteil unserer in Feld und Flur wachsenden Pflanzen erweist sich bei genetischen Untersuchungen als gar nicht artrein. Die Botaniker verwenden daher den Begriff » Art« zurückhaltender als die Zoologen. Sie bezeichnen Zugehörige einer Gruppe von Pflanzen, die untereinander in freiem Austausch ihrer Gene stehen, lieber als » Sippe«. Und wie auch bei Sippen in der Menschenwelt kommt da mitunter so manches hinein, was vorher nicht vorhanden war.
    All das ist noch längst nicht alles, sondern nur der äußerlich noch mehr oder weniger gut sichtbare Anfang. Blicken wir tiefer hinein ins Erbgut, auch in unseres, so werden Gene entdeckt, die wahrlich nicht hineingehörten. Solche von Viren und Bakterien vor allem, die sich einfach eingenistet haben. Wir schleppen sie mit wie die meisten anderen größeren Tiere auch. Manchmal stellen sie eine » genetische Last« dar, oft tun sie nichts, und selten einmal verhalten sie sich günstig.
    Die große Zeit der genetischen Eindringlinge ist vorüber. Wer es geschafft hat, in die Zellen und hinein ins Genom zu kommen, betreibt Besitzstandswahrung. Ganz egoistisch, könnte man sagen. Zustande kommt der Anschein, dass alles zum Besten stehe, weil und wenn » die Art rein« ist. Nun, das mit der Art- oder Rassereinheit sollte als schlimme Ideologie längst entlarvt und verworfen sein. Wer sich für besonders rein hält, sollte vermeiden, Nachwuchs in die Welt zu setzen, dessen Aussehen die Reinheit blamiert, mit ihren Abweichungen aber vielleicht lebenstüchtiger ist.
    Schieben wir daher hier zwei knallharte Fakten der Biologie ein: Die erste Feststellung besagt, dass genetische Vielfalt das entscheidende Überlebensprinzip ist. Arten oder Sippen, die zu einheitlich werden oder darauf hingezüchtet wurden, droht das vorzeitige Aus. Die zweite geht noch tiefer. Alles höhere Leben entstand aus der genetischen Kombination von vordem unabhängigen Kleinstlebewesen. Den eingedrungenen Fremdlingen ist es zu verdanken, dass Tiere (und damit auch wir Menschen) entstanden, weil sich winzige Bakterien mit besonderen Eigenschaften einnisteten. Die Biologen nennen diese längst fest zum Inventar der Zelle gehörenden Eindringlinge Mitochondrien. Sie sind die Mini-Kraftwerke unserer Zellen.
    Ein anderer Typ, winzige kugelige Bakterien mit einem intensiv blaugrünen Farbstoff, gab den Anstoß für die eigenständige Entwicklung der Pflanzen. Und wer sich immer noch für einen genetisch reinen Menschen hält, sollte sich allmählich mit der Tatsache anfreunden, dass wir zu fast 99 Prozent Schimpansen, also Menschenaffen, sind. Mit diesen zusammen sind wir Affen (Primaten) und mit Ratte, Maus und allen anderen Säugetieren Zugehörige dieser Klasse von Wirbeltieren – und so fort bis » hinab« zu den Bakterien, von denen wir nach wie vor sehr viele Gene in unserem Erbgut tragen. Manches von dem, was in uns steckt, löst Erbkrankheiten aus oder begünstigt den Ausbruch von Krankheiten wie Krebs. Schlussendlich macht uns der genetische Mischmasch aber fit fürs Überleben.
    Übrigens: Mit allem, was wir essen, nehmen wir Gene in uns auf. Mit allem, ausnahmslos. Bei Rohkost sogar eine ganze Menge noch » lebendiger« Gene. Vegetarier sind die bedeutendsten Verzehrer unzerstörter Gene unter uns Menschen. Es sieht nicht so aus, als ob ihnen das schadete; nicht einmal, wenn die Pflanzenprodukte ganz exotisch aus dem fernen Südostasien oder aus der Südsee kommen.

Die Zahl der Sterne
und der Käferbeine
    Wie viele Arten gibt es
und wie viele sterben aus?

    Alle drei Minuten stirbt angeblich eine Art aus, oder doch nur pro Tag eine? Vielleicht auch nur eine pro Jahr oder gar keine, weil man bei der Suche nach den ausgestorbenen nur Angaben findet, die sich auf längst bekannte, frühere Ausrottungen beziehen? Oder nur auf bestimmte Gebiete wie Deutschland. Die hier in jüngster Zeit ausgestorbenen Arten leben ja noch, nur anderswo und eben nicht mehr bei uns. Beim Aussterben von Tier- und Pflanzenarten, beim Verlust einer genetischen Ausprägung, wird vieles ganz willkürlich zusammengemischt, Dinge, die eigentlich nicht zusammengehören, und das Ganze dann zu Propagandazwecken benutzt. Dabei ist die Sachlage

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