Naturgeschichte(n)
viele Millionen Jahre, bis richtige Pferde daraus wurden. Pferde mit einem Huf, dem Nagel der Mittelzehe, auf dem sie laufen.
Vor Beginn des Eiszeitalters war es so weit. Urwildpferde donnerten mit ihren harten Hufen über die nordamerikanischen Prärien. Bisons, die » Indianerbüffel«, gab es damals vor drei bis fünf Millionen Jahren noch nicht. Als die Eiszeit kam, sank der Meeresspiegel um über 100 Meter. Eine Landbrücke zwischen Alaska und Nordostasien entstand. Sie vereiste nicht. Über diese wanderten die Wildpferde nach Asien hinein und zogen südlich der riesigen Eispanzer, die von Nordwesteuropa bis Sibirien reichten, entlang. Sie passten sich den neuen Lebensbedingungen in Asien an. Es entstanden Esel in verschiedenen Arten – und die Zebras. Aber erst, nachdem Wildpferde auch nach Afrika hineingewandert waren. Also gab es in ganz Asien und Europa jene Ursache nicht, die zur Entwicklung des Streifenmusters geführt hat.
Aber jetzt sind wir dem Urheber bereits dicht auf der Spur. Wer Pferde hält und reitet, weiß, wie empfindlich sie auf Bremsen reagieren. Eine besonders große nennen wir sogar Pferdebremse. Die ruhigsten Reitpferde können plötzlich verrückt werden, wenn sie von Bremsen angegriffen werden. Nun gibt es aber in Afrika – und nur in Afrika südlich der Sahara – etwas Ähnliches, noch Schlimmeres als die Pferdebremse, und das ist die Tsetsefliege. Sie sticht und saugt Blut wie Bremsen. Den europäischen Pferden bekommt das nicht gut. Wo in Afrika Pferde europäischer Herkunft eingeführt wurden, konnten sie sich nur außerhalb der Tsetse-Gebiete halten.
Dabei sind natürlich nicht die paar Tropfen abgezapftes Blut das Tragische. Aus guten Gründen fürchten wir in den Tropen und Subtropen die Stechmücken, weil sie Malaria, Gelbfieber und andere schwere Krankheiten übertragen können. Auch die Tsetsefliegen können uns, wie bereits dargelegt, über ihren Speichel mit dem für uns Menschen gefährlichen Erreger der Schlafkrankheit anstecken und bei Pferden, Rindern und anderen Tieren lösen sehr ähnliche Trypanosomen-Erreger die sogenannte Nagana-Seuche aus. Es gibt sie nur in Afrika südlich der Sahara, aber nicht mehr ganz im Süden in der Kap-Region.
Nun sind wir der Lösung des Zebra-Rätsels schon ganz nahe. Wir müssen nur noch wissen, wie es sich mit den Zebras und den Tsetses verhält. Das erforschte der britische Tiermediziner Jeffrey Waage vor einigen Jahrzehnten. Damals ging es darum, festzustellen, in welchem Umfang Wildtiere ein Reservoir für die Erreger der Nagana-Seuche sind, die das Vieh der Afrikaner schwächt, nicht aber die dortigen Wildrinder.
Die Forschungen zeigten, dass von Elefanten und Löwen bis zu kleinen Gazellen alle Wildtiere die Erreger der Nagana-Seuche in sich tragen – nur die Zebras nicht oder nur sehr wenige. Längst wusste man, dass die afrikanischen Wildtiere immun gegen die Trypanosomen sind, nicht aber, dass Zebras so wenige in sich tragen.
Jeffrey Waage experimentierte daraufhin mit Attrappen. Er ließ schwarze, weiße, graue, und schwarzweiß gestreifte Kartons in der Größe von Wildtierkörpern über die Savanne ziehen und zählte den Anflug von Tsetsefliegen. Dunkle Flächen gegen den hellen Horizont lösten die stärksten Anflüge aus; die zebragestreiften aber nahezu keine.
Der Grund liegt in der Natur der Fliegenaugen. Sie sind aus Tausenden von Einzelaugen zusammengesetzt. Damit erfassen sie sehr schnell, sehr viel besser als wir Menschen, schnelle Bewegungen. (Deshalb sind die Tsetses auch so schwer mit der Hand zu fangen.) Aber sie bilden Körper dementsprechend weniger genau ab und im Flug erst recht. Nähert sich eine Tsetsefliege einem auf der Savanne grasenden Zebra, löst sich beim Anflug der Körper optisch in Streifen auf, die nichts mehr besagen. Beim daneben grasenden Gnu dagegen zeichnet sich der dunkle Körper immer klarer ab, und die Fliege kann landen und Blut saugen.
Das Streifenmuster der Zebras tarnt vor Tsetsefliegen.
Aber sollten denn nicht auch die Gnus, die Antilopen und Gazellen gegen die Tsetsefliegen und andere Plagegeister wie Zebras gestreift sein? Natürlich! Und Streifen tragen sie auch – an besonders empfindlichen Stellen, wie am Hinterteil und im Gesicht, aber einen Schutz vor der Infektion haben sie nicht nötig. Sie sind immun. Als Wildtiere entstanden sie in Afrika in Wechselwirkung mit den Tsetsefliegen und den von diesen übertragenen Krankheiten. Die Zebras hingegen wanderten erst
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