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Nauraka - Volk der Tiefe

Nauraka - Volk der Tiefe

Titel: Nauraka - Volk der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Zietsch
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an.«
    Erenwins Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen, und er griff sich an die Brust. »Nàru …«
    »Sprich mich nie wieder an! Du hast alles in den Untergang getrieben. Wenn es nun zum Krieg kommt, ist es allein deine Schuld! Nicht Janwe ist der Verräter, sondern du, am ganzen Volk der Nauraka und allen anderen Völkern dazu!«
    Erenwins Lippen zitterten. »Habt Ihr nicht gehört, was ich gesagt habe? Janwe hat Lurdèa, mich und Onkel Turéor an einen Landgänger verkauft, den der ehrwürdige Turéor als den Alten Feind erkannte! Mein Onkel ging für uns in den Tod, damit ich die Warnung weitertrage zu Euch, Hochfürst Ragdur! Ihr könnt die Augen nicht davor verschließen und müsst erkennen, dass der Krieg nie geendet hat! Es gab nur eine lange Pause, doch die ist nun vorbei. Der Alte Feind wird kommen und sein Werk von damals vollenden!«
    »Ich sagte, geh «, wiederholte Ragdur.
    Erenwins Augen füllten sich mit Tränen, und für einen Moment wich der graue Schleier vor seinem Blick. Verzweifelt sah er seine Mutter an. »Nura …«
    »Erenwin«, sagte Ymde sanft. »Du musst gehen. Was du in dir trägst, kann hier nicht bleiben. Es beschleunigt nur den Untergang.«
    »Ich … ich werde an Land gehen und Lurdèa finden, denn nur dort kann sie sein, nachdem sie das Meer verlassen hat«, schluchzte er. »Ich weiß, dass sie am Leben ist, denn ich konnte ihren Tod nicht spüren, und auch Ihr habt es Euren Worten nach nicht, Mutter. Ich habe ihr versprochen, sie zu beschützen, und das werde ich auch halten. Sie wird zu Euch zurückkehren und Euch die Wahrheit berichten, und dann mögt Ihr mich richten, wenn das Wort eines Fürsten von Irgendwo mehr zählt als das Wohl Eurer eigenen Tochter.«
    Ragdur jedoch wandte sich von ihm ab, für ihn war er damit nicht mehr existent. Das Urteil war gefällt, und nichts konnte es mehr rückgängig machen. Erenwin war von diesem Moment an ein Toter, behaftet mit dem Fluch der Schande.
    Ymde lächelte ihm abwesend zu, als wäre gar nichts weiter geschehen. Ihr waren solche Auseinandersetzungen fern. Für sie war ihr Sohn nur ein weiterer Tropfen im Meer, durch das ihr Geist beständig tauchte, sie würde ihn erst dann für tot erklären, wenn auch sein letzter Hauch vergangen war.
    Erenwin war nicht sicher, ob ihr überhaupt noch bewusst war, dass sie ihn einst in sich getragen und geboren hatte.
    Es gab nichts mehr zu sagen, er würde auf nichts mehr eine Antwort erhalten. Ein Toter hatte keine Stimme mehr, man konnte ihn nicht hören. Der Fluch zeigte bereits Wirkung, Erenwin spürte, wie die Bindung an seine Heimat und seine Eltern abriss und sich auflöste.
    Der graue Schleier vor seinen Augen zog sich zu. Weinend drehte er sich um und schwamm aus dem Palast. 
    Draußen wurde er von der wartenden Garde in Empfang genommen, die auch weiterhin Distanz zu ihm hielt. Verschwommen sah er, dass viele Darystis zusammengekommen waren, die ihn nun scheu aus der Ferne beobachteten. Sie konnten bereits riechen , dass er nicht mehr zu ihnen gehörte. Er war nun wie die verwesende Wasserleiche eines Landgängers, die zu tief herabgesunken war.
    »Wir haben Befehl, Euch an die Grenze zu geleiten«, sagte der Anführer der Garde. Er klang völlig neutral, weder respektvoll noch herablassend, erfüllte nur seine Pflicht, ohne darüber nachzudenken. Mied allerdings seinen Blick und sah an ihm vorbei.
    Erenwin merkte, dass auch sein Geist sich bereits von seinem Volk entfernte und sein Verstehen und Verständnis schwanden. All seine Fragen, die er schon seit der Kindheit stellte, waren nicht beantwortet worden. Was auch immer Erenwin suchte, hier konnte er es nicht finden, das hatte Onkel Turéor ihm schon vor langer Zeit gesagt. Die Nauraka hatten so viel verloren. Liebe, Hoffnung … und das geheimnisvolle Letzte, was blieb.
    Ja, es war an der Zeit, an Land zu gehen und zu erfahren, was dieses Letzte war, damit er endlich verstehen lernte. Nur so konnte er auch Lurdèa jemals wiederfinden, seine Schwester, die seine Hilfe brauchte. Er musste sein Versprechen einlösen, sonst traf ihn ein Fluch, der weitaus schlimmer war als der seines Vaters.
    »Ja, ich verschwinde«, sagte Erenwin zu dem Gardisten und meinte es absolut wörtlich.

    Die Darystis folgten ihm nicht, aber sie sahen ihm nach, als er an ihnen vorüberzog; die ganze Stadt, wie ihm schien. Das eine oder andere Gesicht kannte er noch aus unbeschwerten Tagen, und nicht alle wirkten feindlich, manch einer versuchte sogar,

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