Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nauraka - Volk der Tiefe

Nauraka - Volk der Tiefe

Titel: Nauraka - Volk der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Zietsch
Vom Netzwerk:
sind frohen Mutes, dass er uns empfangen wird. Wir waren gerade auf dem Weg zu ihm, als du uns vor die Füße gefallen bist.«
    »Ich kam mit König Rowarn überein, dass wir zuerst mit Euch sprechen müssen, bevor wir uns noch einmal auf den Weg zu Berenvil machen«, erklärte der König.
    Erenwins Herzschlag beschleunigte sich. »Ich war ebenfalls auf dem Weg dorthin, um ihn wegen meiner Schwester um Rat zu fragen. In dem Fall ist es also angebracht, mich als Boten zu schicken!«
    »Euch?« Hyan wandte sich ihm zu. »Ohne Euch nahe treten zu wollen, aber ich halte Euch nicht unbedingt für so eine Mission geeignet …«
    »Ich muss dorthin!«, schrie Erenwin außer sich. »Ich bin ein Nauraka, ich vertrete die Interessen meines Volkes, besser als jeder andere! Gerade weil ich zum Ungeheuer werde! Das muss auf Berenvil Eindruck machen und die Dringlichkeit unseres Anliegens unterstreichen. Glaubt Ihr, ich werde diese Schuld auch noch auf mich laden, nicht alles unternommen zu haben?«
    Hyan zog eine nachdenkliche Miene. »Wir müssen uns darüber beraten, Erenwin.«
    »Aber nicht zu lange!«, schnappte er, und seine spitzen Zähne klickten. »Ich muss weiter, ich habe nicht mehr viel Zeit.« Brüsk drehte er sich um und ließ die beiden stehen.

    Später kam Alrydis zu Erenwin, der vor dem Gästehaus stand und in die Nacht hinaussah. Es war bereits dunkel, doch das bedeutete hier oben, so nah am Himmel, nicht viel. Chrysaora schwamm in einem Meer aus Weiß und Silber und schimmerte selbst fast wie der Perlmond, der hoch am Himmel prangte. Dicht neben ihm funkelte Ishtrus Träne, des Seefahrers Wegweiser. Schnaubtümmler sprangen blasend über die Wolkenberge, wogten wie eine einzige Welle darüber hinweg, voller Anmut und Harmonie. Beinahe wie ein naurakischer Tanz. Liebespaare flogen Arm in Arm über der Nebelqualle und badeten im Mondlicht, das sie mit silbernem Schein umgab. In der Stadt brannten sanfte Lichter, Glühkäfer zogen in funkelnden Wolken hindurch, und Nachtsänger flöteten süße Melodien. Die Luft trug schwer an Blütenduft. In manchen Wolken zuckten Blitze, wenn Zitteraale ihren Paarungstanz begannen, und weit entfernt zog eine kleine, pulsierend leuchtende Nebelqualle vorbei, auf die zwei Wolkenschiffe Kurs hielten.
    »Ich kann alles deutlich sehen«, murmelte Erenwin. »Ein Wunder, das ich wohl nur hier oben finden kann. Seit deine heilenden Hände mich berührten, Alrydis.«
    »Hier oben bist du der Melodiensphäre näher, daran liegt es«, erklärte sie. »Diese ganze Region hier, bis zum Domgar, ist voller magischer Netze, deren Töne bis in die Täler klingen. Auch du könntest es hören, wenn du es nur zulassen würdest.«
    »Vielleicht wäre es besser gewesen, ihr hättet mich liegen gelassen, und ich wäre gestorben«, sagte er leise und, mehr zu sich.
    »Weshalb?«, fragte sie.
    »Weil ich mich nun an das Grauen erinnere.«
    »Dann halte es fest, denn es bringt dich zu deinem wahren Selbst zurück.«
    Er sagte nichts darauf, sondern schaute weiter hinaus in die Ferne. »Es ist schön … aber so kann es nicht bleiben, nicht wahr?«
    »Darüber muss jeder selbst entscheiden, Erenwin.«
    Er nickte und sah zu ihr. »Habt auch ihr eine Entscheidung getroffen?«
    »Wir stimmen deinem Vorschlag zu«, erklärte sie. »Ich werde dich über alles aufklären und dich auch die Briefe lesen lassen.«
    »Ich kann nicht lesen, hab’s nie gelernt. Nauraka drücken ihre Mitteilungen anders aus, senden sie direkt durch die See«, sagte er unwirsch. »Du musst es mir vorlesen.«
    »Gewiss, Erenwin«, sagte sie geduldig. »Ich werde dich begleiten.«
    Er fuhr zu ihr herum. »Auf keinen Fall!«
    Ihr blieb der Mund offenstehen. »Was …«
    »Ich belaste mich nicht mit einer Frau. Diese Reise unternehme ich allein.«
    Sie stemmte die Hände in die Hüften, und aus ihren hell leuchtenden Augen schossen Blitze. »Ist das etwa die Art der Nauraka, mit Frauen umzugehen? Da erzählte mein Vater mir aber ganz anderes!«
    Er schnaubte wütend. »Ja, das ist unsere Art! Wir wurden in einem strengen Patriarchat erzogen. Hast du immer noch nicht begriffen, dass es das legendäre Volk der Nauraka nicht mehr gibt? Wir sind nur noch ein Schatten unserer selbst, der traurige Rest einer Erinnerung, die verloren umherirrt! Woher sollte dein Vater, der Landgänger, schon wissen, wie Nauraka sind!« Er wies auf sich. »Erkenne endlich, was aus mir geworden ist! Das hier ist der sichtbare Ausdruck meiner Seele! Und das

Weitere Kostenlose Bücher