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Nauraka - Volk der Tiefe

Nauraka - Volk der Tiefe

Titel: Nauraka - Volk der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Zietsch
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unterwegs.«
    »Erenwin, vielleicht hat sie ja ihren Namen geändert, weil sie …«, begann Alrydis. 
    »Nein, nein«, unterbrach er verzweifelt, »sie heißt Lurdèa, sie ist eine Nauraka und würde ihren Namen niemals verleugnen. Unsere Namen sind ein Teil von uns, wenn wir sie ablegen, verlieren wir auch uns selbst und sind keine Nauraka mehr!«
    »Helur, du gehst jetzt besser«, sagte die Ylwanin beunruhigt. »Erenwin ist viel zu aufgeregt.«
    »Ich wollte doch nur …«, murmelte der Daranil erschrocken.
    »Du hast das Richtige getan«, unterbrach sie. »Er musste das erfahren. Aber jetzt geh besser, ich glaube, er bekommt gleich einen Anfall.«
    Sie versuchte Erenwin zu halten, aber er bäumte sich bereits auf, Schaum quoll aus seinem Mund, und er schrie, bis sich seine Stimme überschlug. Alrydis sah keinen anderen Weg, als sich mit ihrem ganzen Gewicht auf ihn zu legen und die Arme um ihn zu schließen, um ihn zu halten. Nach einer Weile schlang auch er seine Arme um sie und weinte lange an ihrer Schulter ölige schwarze Tränen, während sie ihn festhielt.

    Eines Tages konnte Erenwin es wagen, aufzustehen und hinauszugehen. Alrydis blieb an seiner Seite, während er vorsichtig Schritt vor Schritt setzte, wie damals, als er das Meer verlassen hatte. Schnell fand er seine Kräfte wieder und trat aus dem kleinen Haus, in dem er die letzten Mondzyklen verbracht hatte, in das Wolkenmeer hinaus.
    Staunend verharrte er. 
    »Das ist Chrysaora«, erklärte Alrydis lächelnd. »Die große Nebelqualle.«
    Eine Qualle, deren mehrere hundert Mannslängen messende Nesselfäden sanft durch die Wolken tasteten und sich wiegten, während sie sich langsam und sanft durch die Sphäre über den Wolken bewegte, mit auf- und abschwingendem Kronensaum. Das gasgefüllte Gallertwesen war teils durchsichtig, teils milchig, und leuchtende Fäden zogen sich durch ihr Inneres. 
    Chrysaora war so groß, dass eine ganze Stadt für tausend und mehr Daranil auf ihr Platz hatte, mit luftigen, filigran wirkenden Häusern, um die sich Rosen und Wein rankten. Wandelwege waren dazwischen angelegt, mit gläsernen Bäumen, deren Zweige sich sanft im Wind wiegten und leise, liebliche Klänge erzeugten. Wasser fand sich in Auffangbecken, eingebettet in blühende Büsche. 
    In der Nähe, am Rand von Chrysaora lag ein schlankes Schiff mit spitzem Bug vor Anker, an das Erenwin eine dunkle Erinnerung hatte.
    »Ja, das ist die Meaglea «, sagte die Ylwanin. »Der Stolz der Flotte der Wolkenfänger.«
    »Wolkenfänger?«, wiederholte er verwundert.
    Sie schmunzelte. »Sie kreuzen durchs Wolkenmeer und fangen mit Netzen, was darin lebt.«
    »Da drin gibt es Leben?«
    »Du ahnst nicht, wie viel. Es gibt sogar schwebendes Land, aufgebaut auf Gaskorallen …«
    Sein Gesicht nahm einen verträumten Ausdruck an. »Wie in der Tiefe …«
    »Ja, fast wie deine Heimat.« Sie nahm seinen Arm und führte ihn ein Stück weiter, wo sie die Sonne sehen konnten, die gerade im Westen versank. »Ist das nicht ein wunderbares Farbenspiel, wenn die Sonne in die Wolken eintaucht? Ich kann mich nie daran sattsehen.«
    »Ich kann keine Farben sehen«, erwiderte er.
    Sie wandte sich ihm zu, und er hob die Schultern.
    »Meine Augen sind nicht mehr besonders gut. Zuerst war es nur ein grauer Schleier, der manchmal verschwand, doch seit vielen Jahren ist meine Welt nur noch grau. Nachts bin ich blind, was mir aber nichts ausmacht, weil meine anderen Sinne hervorragend funktionieren. Nur dein … dein Schimmern, das kann ich … sehr deutlich sehen, so klar wie … wie …« Er führte den Satz nicht zu Ende und drehte sich abrupt zur Seite.
    Noch bevor eine verlegene Stille entstand, schlang sie ihren Arm um seinen. »Komm, machen wir dem König unsere Aufwartung, er wird schon ungeduldig sein.«

    Der königliche Palast erinnerte in vielem an Darystis. Unter anderem die verspielte, filigrane, offene Bauweise und die Verbindung mit den Pflanzen. Eine Menge lärmender, Alrydis’ Versicherung nach wie Juwelen so bunter Vögel hüpfte in den Zweigen und zwischen den Gittern, sie stritten und warben und kämpften unermüdlich. Es gab so viel Leben hier, schwerelos und leicht. Beständig schwebten Daranil über der Qualle, landeten oder flogen in die Höhe. Gelächter schwang durch die Luft, begleitet vom Gesang der Vögel und den Harfenklängen der Glasbäume. Vogelschwärme folgten Chrysaora, und in einiger Entfernung liefen Wolkenschiffe aus oder ein. Es herrschte lebhaftes,

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